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Stefan Hanheide
Musik im Zeichen politischer Gewalt

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Antrittsvorlesung als Privatdozent an der Universität Osnabrück, gehalten am 23. Juni 2003 im Musiksaal im Osnabrücker Schloß.

Meine Damen und Herren,

die Habilitationsordnung der Universität Osnabrück schreibt in § 12 vor, daß in der Antrittsvorlesung das Forschungsgebiet vorgestellt wird. Hieraus ergibt sich der Titel dieses Vortrags: »Musik im Zeichen politischer Gewalt«. Ich werde besonders auf Musik im Spannungsfeld von Krieg und Frieden eingehen2

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Vgl. ausführlicher Stefan Hanheide, Frieden als Gegenstand musikalischer Komposition, in: PAX. Beiträge zu Idee und Darstellung des Friedens, hg. von W. Augustyn, München 2003, S. 459–490.
, und weitere Aspekte der Thematik kursorisch behandeln.

Lassen Sie mich beginnen mit einem kurzen Textausschnitt aus einem politischen Oratorium. Der Text heißt: Ich habe den Euphrat überquert und alle Städte auf den Höhen zerstört, und ich bin mit Macht in die Stadt eingedrungen, die hartnäckig widerstand, und ich habe die umliegenden Gebiete besetzt.

Wer ist es, der in diesem Text spricht? Ist es Donald Rumsfeld oder einer seiner GIs? Kommen auch George W. Bush und Tony Blair in Frage? Hat sich schon ein patriotischer amerikanischer oder englischer Komponist des militärischen Sieges über den Irak angenommen und ihn in einer Komposition verarbeitet?

Nein. Die Komposition mit diesem Text stammt aus dem Jahre 1697. Es handelt sich um das Canticum eucharisticum pro pace des Straßburger Kapellmeisters Sébastien de Brossard. Kenntnisse des Alten Testamentes können falsche Vermutungen über die Herkunft des Textes korrigieren, denn mehr als einmal überquerte das Volk Israel den Euphrat, um seine politischen Ziele zu verfolgen. Hier handelt es sich um eine Paraphrase aus dem Buch Judit3

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Buch Judit 2, 14 f. (in der Einheitsübersetzung 2, 24 f.). Für den Hinweis bedanke ich mich bei der Kollegin Prof. Dr. Beate Ego und ihrer Mitarbeiterin Dorothea Betz, ev. Theologie.
, die allerdings in die 1. Person umgewandelt worden ist. Die Komposition war zur Feier des Friedens von Rijswijk geschrieben worden, der besiegelte, daß Straßburg und das Elsaß an Frankreich fielen. Die Truppen Ludwigs XIV. hatten Straßburg im Jahre 1681 belagert, zur Kapitulation gezwungen und daraufhin eine französisch-katholische Kultur im protestantischen Straßburg installiert. Hierzu gehörte auch ein Jesuitenkolleg, und dessen Kapellmeister Sébastien de Brossard verfaßte
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