Im privat verwalteten Archiv des Orchesters Berliner Musikfreunde e. V.
schlummert eine Originalhandschrift von Celibidache, so liest man in der Festschrift des
Orchesters zum 125-jährigen Bestehen 1991. Das Titelblatt der »Täglichen Vorübungen
für Laien-Orchester« ist dort neben einem Konzertprogramm vom 19. April 1942
abgedruckt, welches Celibidache als Dirigent eines klassisch-romantischen Sinfoniekonzertes
ausweist. 1
OBM – Orchester Berliner Musikfreunde e. V. 1866–1991, Festschrift zum 125-jährigen
Bestehen, hg. von Rainer Vogt, Berlin: Selbstverlag 1991, S. 20 f., s. Anhang I, S. 225
|
Im historischen Abriss der Festschrift, der durch Fettdruck die jeweiligen Dirigenten
hervorhebt, liest man, dass die internationale Karriere Celibidaches offenbar mit dem
OBM 2
Im Folgenden wird das gängige Kürzel »OBM« für die Namensnennung »Orchester Berliner
Musikfreunde« verwendet.
|
begann. Zwei Ausschnitte aus Konzertkritiken im Faksimiledruck ergänzen diese
Aussage. 3
Vogt, in: OBM-Festschrift, a. a. O., S. 19.
|
Mehr erfährt man an dieser Stelle nicht, aber die wenigen Hinweise machen neugierig.
Hütet das OBM-Archiv noch mehr Quellenmaterial über die dirigentische Tätigkeit
Celibidaches? Lässt sich die Chronologie für die Jahre 1941–42 präzisieren? Wird
dieser kurze Lebensabschnitt in der wachsenden Zahl von Biographien und
Veröffentlichungen über Celibidache berücksichtigt? Was enthalten die »Täglichen
Vorübungen für Laien-Orchester«, und kann man Rückschlüsse aus dem Material
auf die Gegebenheiten des Orchesters sowie auf Celibidaches Anspruch und
Arbeitsmethode ziehen? Wie konnte man mitten im Zweiten Weltkrieg in Berlin
Laienorchesterarbeit aufrechterhalten und sich sogar mit Orchesteretüden befassen?
Welches Profil hat dieses Laienorchester, das im Jahre 2002 nun schon 136 Jahre
besteht?
Es lohnt, diesen Fragen systematisch nachzugehen. Rainer Vogt, OStR, Klarinettist und
Erster Vorsitzender des OBM, stellte mir bereitwillig das Material zur Verfügung, das
sich im Orchesterarchiv zum Thema Celibidache befindet und erlaubte den Abdruck.
Dafür sei ihm an dieser Stelle herzlich gedankt.
I Proben unter Fliegeralarm
Deutschland litt ab 1942 unter vermehrten britischen und amerikanischen Luftangriffen.
Am 30./31. 5. 1942 flogen die alliierten Luftstreitkräfte den sog. 1000- |