Gehörbildung im Selbststudium
Ein musikalisch geschultes Gehör ist eine nahezu unerläßliche Grundvoraussetzung für
die sinnvolle Auseinandersetzung mit Musik. Ohne die Fähigkeit Rhythmen, Intervalle
oder Kadenzen kognitiv kategorisieren zu können, bleibt die erklingende Musik
eine undifferenziert wahrgenommene Ansammlung klanglicher Ereignisse, die
lediglich aufgrund subjektiver, vom sozialen Umfeld geprägter Bewertungskriterien
beurteilt werden kann. Aus diesem Grund gehört die fundierte Gehörbildung zur
Grundausbildung eines jeden Musikers und Musikwissenschaftlers.
Eine effiziente Schulung des Ohrs bedingt neben den theoretischen Grundlagen allerdings
auch ein ständiges, intensives Training, also einen aktiven Umgang mit den
musikalischen Strukturen, wie Rhythmus, Melodik und Harmonik. Im Gegensatz zu
vielen anderen Teildisziplinen der musikspezifischen Ausbildung ist ein Selbststudium
der Gehörbildung mit klassischen Mitteln so gut wie unmöglich, denn auf welche Weise
soll sich der Schüler mit Hilfe eines Instruments seine eigenen Aufgaben stellen, ohne
etwa gleichzeitig auf taktile Informationen beim Spielen eines Akkordes zurückzugreifen,
die geradezu zum »Schummeln« auffordern? Der Lernende ist folglich konsequenterweise
gezwungen, von einem Tutor Höraufgaben präsentiert und vorgespielt zu bekommen,
welche anschließend vom Schüler auditiv erkannt und vom Lehrer wiederum bewertet
werden müssen. Die Rolle des Tutors besteht in dieser Situation aus einer vergleichsweise
monotonen Repetition ähnlicher Hörbeispiele in Verbindung mit durchdachten
Adaptionen an die Fortschritte sowie an eventuell vorhandene partielle Hördefizite des
Schülers.
Neben den individuell zu gestaltenden Aufgaben spielt aber auch eine entspannte
Lernumgebung einschließlich einer gewissen Grundmotivation auf Seiten des Lernenden
eine nicht zu unterschätzende Rolle. Der klassische Gruppenunterricht an der
Musikschule, am Konservatorium oder der Universität mit seinen festen Zeiten und dem
vergleichenden latenten Prüfungscharakter kann dies nur bedingt leisten, oder schlägt
bei schwächeren Schülern gar ins Gegenteil um. Aber auch die Idealsituation eines
individuellen Gehörbildungsunterrichts, bei |