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6.1.4.  Zeitverarbeitung als vielschichtiges Konstrukt

Je nach innerer Einstellung kann Zeit als flexibel, dehnbar und naturnah erlebt werden oder aber auch als minimales Raster mit der Nötigung zu bestmöglicher und genauster Festlegung und Nutzung. Einfluss auf die Neigung zur einen oder anderen Sichtweise haben ideelle bzw. kulturhistorische Gegebenheiten und vor allem auch die technischen Möglichkeiten, Zeit zu quantifizieren (vgl. Kapitel 2). Die konträren Sichtweisen von Subjektivität und Objektivität betreffen die kognitive, aber auch die emotional belegte Konstruktion der Zeitwahrnehmung. Wenn Zeit innerlich erschaffen wird, fließen hier individuell-situative oder durch die Kultur bzw. den Zeitgeist bestimmte Ideen mit in das Zeitverständnis ein. Für den vorliegenden Zusammenhang soll diese Ebene als assoziative Zeitverarbeitung bezeichnet werden


Assoziative Zeitverarbeitung:

Rückgriff auf die subjektive, innerlich individuell konstruierte Realität


Eine andere Art des inneren Umgehens mit Zeitreizen ist die ›sachliche‹, um objektive Beurteilung bemühte Beurteilung aktueller Geschehnisse. Momentane Prozesse, die sich in der psychischen Gegenwartszeit abspielen – wie speichern, vergleichen oder reproduzieren – sind hier einzuordnen. Diese Ebene kann unter dem Begriff der aktuellen Zeitverarbeitung zusammengefasst werden.


Aktuelle Zeitverarbeitung:

konkretes, situationsangepasstes Denken und Handeln


Die dritte Ebene der Zeitverarbeitung betrifft die unterschwellige, subkortikal und nicht dem willentlichen Zugriff unterworfene Stufe. Von Lebensbeginn an funktioniert die Verarbeitung zeitlicher Stimuli mit unbeirrbarer Präzision. Diese Funktion steht in Zusammenhang mit der Annahme eines internen Zeitgebers und kann als reflexhafte Zeitverarbeitung beschrieben werden. Wie im vorigen Abschnitt dargestellt, kann die reflexhafte Zeitverarbeitung durchaus die anderen Ebenen der Zeitverarbeitung beeinflussen:


Reflexhafte Zeitverarbeitung:

unwillkürliches Geschehen (mit Einflussnahme auf aktuelle und assoziative Zeitverarbeitung)


Festzuhalten bleibt, dass das Vorhandensein verschiedener psychischer Dimensionen von Zeit (auch) auf der parallelen Existenz unterschiedlicher neuronaler Funktionalitäten beruht. Die assoziative Funktion betrifft das Langzeitgedächtnis, die aktuelle Zeitverarbeitung beruht auf Prozessen des Arbeitsgedächtnisses und die reflexhafte Verarbeitung spielt sich subkortikal, ohne bewussten Abgleich mit Gedächtnisspeicherinhalten ab.


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