Die Ebenen der Zeitverarbeitung in ihrer Bedeutung für die Musikausübung
Alle genannten Ebenen der Zeitverarbeitung spielen bedeutsame Rollen im Umgang mit
Musik. Sowohl die (passive) Musikrezeption als auch die (aktive) Musikausübung sind
betroffen:
Assoziative Zeitverarbeitung in der Musik Musik als Klanggestalt, die sich in der Zeit
abspielt, wird sowohl beim Hören als auch in der Ausführung von mehr oder weniger
intensiven Emotionen begleitet. Stimmungen, Gefühle, aber auch Sachwissen
verknüpfen sich individuell mit Musik und werden als Komplex im Gedächtnis
abgespeichert.
Aktuelle Zeitverarbeitung in der Musik Musik mit ihren melodisch-rhythmischen
Elementen wird auf einer ›sachlichen‹ Ebene ausgeführt. Dazu gehört der auf Wissen
und Übung basierende Umgang mit Notenwerten genau so, wie das (spielerische)
Imitieren oder Erfinden von Rhythmen. Rhythmische Figuren können mit Hilfe eines
Arbeitsspeichers aufgenommen, zum konkreten Umgang (Vergleich, Analyse) bereit
gehalten und schließlich in den Langzeitspeicher übergeleitet werden. Die aktuelle
Zeitverarbeitung betrifft das Hören von Musik, das Ausführen von erdachten
oder vorgegebenen Rhythmen (Interpretation, Improvisation) oder auch die
Komposition.
Reflexhafte Zeitverarbeitung Viele Aktionen oder Reaktionen im Musizieren
geschehen unbewusst. Kinder erfassen Musik intuitiv, Laien können sich in
Rhythmen einschwingen, ohne Kenntnisse über Notenwerte zu haben. Versierte
Musikerinnen und Musiker sind in der Lage, sich in Sekundenbruchteilen an
situative Erfordernisse anzupassen. Sie reagieren auf die Raumakustik, auf
Besonderheiten ihres Instrumentes oder auf Impulse von Mitspielenden. So besteht
ein Großteil der motorischen Aktivität aus automatisierten Prozessen. Und
dennoch ist – im Idealfall – ständig die Möglichkeit vorhanden, korrigierend
einzugreifen, in einem fein abgestimmten Wechselspiel aus Perzeption und Motion
augenblicklich Einfluss zu nehmen. Viele dieser Anpassungsleistungen spielen sich in der
Zeitebene unterhalb von 500 Millisekunden ab, es ist davon auszugehen, dass hier
der reflexhafte, subkortikal gesteuerte Zeitverarbeitungsmechanismus aktiv
wird.
Mehrfach war darauf hingewiesen worden, dass die reflexhafte Zeitwahrnehmung zwar
unterschwellig, aber doch kontinuierlich in die Verarbeitung größerer Dauern mit
einfließt. Gleiches ist auch für die beiden anderen Ebenen der Zeitverarbeitung
anzunehmen: weder das kurzfristige Speichern der aktuellen Zeitverarbeitung noch die
emotionale Aufladung von Höreindrücken der assoziativen Ebene lassen sich einfach
›abschalten‹. So ist für das Alltagsleben wie auch für den Bereich des Musizierens davon
auszugehen, dass die verschiedenen Funktionen parallel arbeiten – wobei jeweils situative
und individuelle Gegebenheiten dafür sorgen können, dass eine der Ebenen in den
Vordergrund tritt, während die Bedeutung der anderen beiden Funktionen temporär
reduziert wird.