- 106 -Lehmann, Silke: Bewegung und Sprache als Wege zum musikalischen Rhythmus 
  Erste Seite (i) Vorherige Seite (105)Nächste Seite (107) Letzte Seite (264)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

Die Ebenen der Zeitverarbeitung in ihrer Bedeutung für die Musikausübung

Alle genannten Ebenen der Zeitverarbeitung spielen bedeutsame Rollen im Umgang mit Musik. Sowohl die (passive) Musikrezeption als auch die (aktive) Musikausübung sind betroffen:

Assoziative Zeitverarbeitung in der Musik Musik als Klanggestalt, die sich in der Zeit abspielt, wird sowohl beim Hören als auch in der Ausführung von mehr oder weniger intensiven Emotionen begleitet. Stimmungen, Gefühle, aber auch Sachwissen verknüpfen sich individuell mit Musik und werden als Komplex im Gedächtnis abgespeichert.

Aktuelle Zeitverarbeitung in der Musik Musik mit ihren melodisch-rhythmischen Elementen wird auf einer ›sachlichen‹ Ebene ausgeführt. Dazu gehört der auf Wissen und Übung basierende Umgang mit Notenwerten genau so, wie das (spielerische) Imitieren oder Erfinden von Rhythmen. Rhythmische Figuren können mit Hilfe eines Arbeitsspeichers aufgenommen, zum konkreten Umgang (Vergleich, Analyse) bereit gehalten und schließlich in den Langzeitspeicher übergeleitet werden. Die aktuelle Zeitverarbeitung betrifft das Hören von Musik, das Ausführen von erdachten oder vorgegebenen Rhythmen (Interpretation, Improvisation) oder auch die Komposition.

Reflexhafte Zeitverarbeitung Viele Aktionen oder Reaktionen im Musizieren geschehen unbewusst. Kinder erfassen Musik intuitiv, Laien können sich in Rhythmen einschwingen, ohne Kenntnisse über Notenwerte zu haben. Versierte Musikerinnen und Musiker sind in der Lage, sich in Sekundenbruchteilen an situative Erfordernisse anzupassen. Sie reagieren auf die Raumakustik, auf Besonderheiten ihres Instrumentes oder auf Impulse von Mitspielenden. So besteht ein Großteil der motorischen Aktivität aus automatisierten Prozessen. Und dennoch ist – im Idealfall – ständig die Möglichkeit vorhanden, korrigierend einzugreifen, in einem fein abgestimmten Wechselspiel aus Perzeption und Motion augenblicklich Einfluss zu nehmen. Viele dieser Anpassungsleistungen spielen sich in der Zeitebene unterhalb von 500 Millisekunden ab, es ist davon auszugehen, dass hier der reflexhafte, subkortikal gesteuerte Zeitverarbeitungsmechanismus aktiv wird. Mehrfach war darauf hingewiesen worden, dass die reflexhafte Zeitwahrnehmung zwar unterschwellig, aber doch kontinuierlich in die Verarbeitung größerer Dauern mit einfließt. Gleiches ist auch für die beiden anderen Ebenen der Zeitverarbeitung anzunehmen: weder das kurzfristige Speichern der aktuellen Zeitverarbeitung noch die emotionale Aufladung von Höreindrücken der assoziativen Ebene lassen sich einfach ›abschalten‹. So ist für das Alltagsleben wie auch für den Bereich des Musizierens davon auszugehen, dass die verschiedenen Funktionen parallel arbeiten – wobei jeweils situative und individuelle Gegebenheiten dafür sorgen können, dass eine der Ebenen in den Vordergrund tritt, während die Bedeutung der anderen beiden Funktionen temporär reduziert wird.


Erste Seite (i) Vorherige Seite (105)Nächste Seite (107) Letzte Seite (264)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 106 -Lehmann, Silke: Bewegung und Sprache als Wege zum musikalischen Rhythmus