- 126 -Lehmann, Silke: Bewegung und Sprache als Wege zum musikalischen Rhythmus 
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für das Erleben von Musik bedeutsam und stellen nur unterschiedliche Sichtweisen bzw. Erlebnisebenen dar (s. o.).

Die Tatsache, dass schon Neugeborene Abweichungen von einer gleich bleibenden Ereignisfolge wahrnehmen, sieht Bruhn (ebd., S. 235) als Beleg für den Puls als erstes Zentrum in der Entwicklung der Rhythmuswahrnehmung. Dem ist entgegen zu halten, dass sich im Prozess des Spracherwerbs die Aufmerksamkeit zunächst auf die Gestaltung größerer Zusammenhänge richtet, nicht auf minimale Einheiten. Die Entschlüsselung erstreckt sich vom Erfassen ganzer Sätze oder Phrasen hin zur (späteren) Beachtung kleinerer Einheiten wie Silben oder Phonemen (vgl. Abschnitt 5.1.1). Innerhalb der ersten Lebenszeit finden zwar auch schon isochrone Bewegungen oder Lautäußerungen im Sinne eines Grundschlages statt (vgl. Abschnitt 4.4.2), gleichzeitig werden aber auch größere zeitlich gestaltete Muster produziert und wahrgenommen, hier sei erinnert an die in Abschnitt 5.2.2 beschriebenen Phänomene der rhythmischen Feinabstimmung von Sprache und Gestik mit der Bezeichnung ›self-synchrony‹ und ›interactional-synchrony‹. Isochronie (im Sinne eines Grundschlags), Metrum (im Sinne einer Akzentstruktur) und Rhythmus (im Sinne gestalteter Zeitdauern) bedingen einander gegenseitig und sind von der ersten Lebenszeit an untrennbar miteinander verwoben. Dass sich die rechnerische, analytische Komponente der Bestimmung von Verhältnissen zueinander innerhalb eines verbindlichen Bezugsystems erst mit zunehmenden kognitiven Möglichkeiten erschließt, kann nicht verwundern. Sowohl Isochronie, als auch Metrum und Rhythmus können aber auch auf einer intuitiven Ebene verarbeitet werden – gleichzeitig und von Lebensbeginn an.

Auch Bamberger geht davon aus, dass im Wahrnehmungsprozess die figurale und die formal-metrische Ebene simultan erfasst werden. In Aufzeichnungen findet sich allerdings immer nur entweder die eine oder die andere Ebene wieder. Diese Tatsache veranlasst Bamberger zu der Frage, ob der Vorgang der Verschriftlichung die Spaltung der Ebenen verursacht (ebd. S. 194). Auch wenn dieser Frage hier nicht weiter nachgegangen werden soll, bleibt doch die Sichtweise von rhythmischer Verarbeitung als einer Funktion festzuhalten, die simultan verschiedene Dimensionen einbezieht:

Grundschlag, Rhythmus und Metrum werden von Lebensbeginn an simultan verarbeitet.

Ausgewählte Untersuchungen in Zusammenhang mit dem Lebensalter

Neben Kenntnissen der traditionellen Notenschrift hat vor allem das Alter Einfluss auf die Art der Aufzeichnung (Bamberger 1980, S. 188f.; Upitis 1987, S. 70): während jüngere Kinder tatsächlich eher anschaulich die Ereignisse darzustellen versuchen, sind ältere Kinder besser in der Lage metrisch-formale Zusammenhänge zu erkennen und zu notieren. Upitis fand in ihrer Untersuchung eine Art Schwellenwert für das Alter von 10 Jahren. Unterhalb dieser Altersstufe wirkt sich musikalische Geübtheit positiv auf die Fertigkeiten auditiver (und auch motorischer) Rhythmusverarbeitung aus, ab dem Alter von 10 Jahren zeigen die Kinder unabhängig von Trainingseffekten durchgehend gute Leistungen im Test (ebd., S. 71). Bruhn (1993, S. 292) verweist auf Thackray, der einen deutlichen Fertigkeitszuwachs


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