KonsequenzenDa der Mensch in jedem Augenblick seines Lebens bewusst oder unbewusst von Reizen angesprochen wird, ist auch die Zeitverarbeitungskomponente der Sinne ständig mit aktiv. Somit kann es nicht verwundern, dass das Phänomen Zeit im menschlichen Leben so eine komplexe Rolle spielt. Für die Musikausübung sei hervorgehoben, dass sich besonders das Reizleitungssystem des auditiven Sinns durch hohe Frequenzleistung und somit große Genauigkeit auszeichnet. Doch auch der Tastsinn, besonders im Bereich der Fingerkuppen, verfügt über leistungsfähige Rezeptorzellen (vgl. Grüsser 1998, S. 115). Dadurch sind Ohr und Hand für zeitgenaue Wahrnehmungsleistungen prädestiniert. Und da jede Tätigkeit von Wahrnehmung gesteuert ist, profitiert von dieser hohen Frequenzdichte auch die Qualität der Zeitgestaltung in Produktionsprozessen. Dieser Sachverhalt bietet sich mehr zur Kenntnisnahme als zur konkreten methodischen Umsetzung an:
Ein zweiter Aspekt betrifft die Tatsache, dass komplexe Stimuli einen höheren Zeitbedarf in den Wahrnehmungsprozessen haben. Mit anderen Worten: ein informationsreicher Input wird langsamer entschlüsselt als ein karger Reiz. Nicht umsonst wird in der experimentellen Psychologie die zeitliche Differenzierungsfähigkeit mit Sinustönen oder Clicks gemessen. In der Musikausübung stellt sich der Umgang mit Zeit und Rhythmus ganz anders dar. Schon in Abschnitt 5.1.1 war in Zusammenhang mit der Sprachprosodie dargestellt worden, dass Rhythmus nicht isoliert von anderen Parametern wie Betonung, Melodik, Lautstärke oder Klangfarbe betrachtet werden kann, weil diese Gestaltungselemente eng miteinander verwoben sind. Diese Feststellung gilt genau so für das Musizieren. In der Regel stützen sich Melodie, Rhythmus und Betonung gegenseitig. Reales Musizieren lässt sich nicht auf eine Labor-Situation mit technisch ›gesäuberten‹ Stimuli reduzieren. So ist es fraglich, wie weit Rhythmen aus dem Gesamtzusammenhang abstrahiert werden können, ohne letztlich ihre Sinnhaftigkeit, ihre Gestalt zu verlieren.
7.2. Die ›Innere Uhr‹Wie oben dargestellt, resultiert die innere Konstruktion des Phänomens Zeit aus der transmodalen – also verschiedene Sinnessysteme betreffenden – Analyse von Wahrnehmungsprozessen. Für die Bestimmung von Dauern oder Zeitpunkten muss davon ausgegangen werden, dass der Mensch Zeit sowohl in ein internes als auch ein externes Raster einordnen kann. Als externe Raster dienen Referenzsysteme wie etwa Tagesablauf, Jahreszyklus oder Wochenrhythmus. Dabei werden Zeitintervalle registriert, im Gedächtnis gespeichert und mit neu eintreffenden Reizen verglichen. Für die kontinuierliche zeitliche Orientierung innerhalb kleiner oder |