- 154 -Lehmann, Silke: Bewegung und Sprache als Wege zum musikalischen Rhythmus 
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Noch ›unterhalb‹ der Schwerpunktsetzung entsteht die Wahrnehmung eines Metrums durch den Eindruck von Gleichabständigkeit, durch das Bewusstsein für die Regelmäßigkeit von Ereignissen bzw. Bezugspunkten. Dies ist auch für die Musikausübung bedeutsam, in der es ja um die Produktion von Rhythmus und Metrum geht. Rhythmen werden erst dann souverän gemeistert, wenn das Empfinden für die Regelmäßigkeit des Grundschlags sicher vorhanden ist. Es sei in diesem Zusammenhang aber auch daran erinnert, dass die menschliche Wahrnehmung unweigerlich identische, gleichabständige Stimuli zu Gruppen strukturiert (vgl. die Beschreibung der so genannten subjektiven Rhythmisierung in Abschnitt 6.1.3).

In Abschnitt 6.3.1 war in Bezug auf die Entwicklung rhythmischer Fertigkeiten festgestellt worden, dass sowohl Kinder als auch ungeübte Erwachsene dazu neigen, Rhythmen figural aufzufassen, d. h. nicht die Verhältnisse der Notenwerte zueinander zu beachten, sondern Gruppen bzw. Motive wahrzunehmen oder sich am Verlauf der Ausführung zu orientieren: hier geht es schnell voran, dort langsam. Die von Bamberger und Upitis als metrisch bezeichnete Strategie dagegen betont die exakten Verhältnisse der Ereignisse zueinander: Ton a ist doppelt so lang wie Ton b. Da die Verhältnisse die Tonlängen betreffen, handelt es sich eigentlich (auch) um einen rhythmischen Sachverhalt. In diesem Ansatz liegt wiederum ein Gegenargument zur eingangs geschilderten Annahme von Rhythmus als lokaler und Metrum als globaler Materie. Metrum im Sinne von Bamberger und Upitis meint nicht die Schwerpunktsetzung, sondern die Verhältnismäßigkeit zueinander, in dieser Bedeutung müssten metrische Sachverhalte analytischen, also lokalen Strategien unterliegen.

Fazit: Rhythmuswahrnehmung kann sowohl gestaltbezogene, ganzheitliche Aspekte betreffen als auch analytische, relationale Gesichtspunkte in den Vordergrund stellen. In Bezug auf die Idee lokaler und globaler Prozesse bedeutet dies, dass Rhythmus nicht nur lokale sondern auch globale Strategien beanspruchen kann. Gleiches gilt für das Metrum: wenn die Bezeichnung metrisch die Verhältnisse der Notenwerte zueinander meint, ist dies ein analytischer Zugang. Metrum im Sinne von Walzer- oder Marschschema bezieht sich wiederum auf Gestalten und beträfe somit einen globalen Sachverhalt.

Die Merkmale von Rhythmus und Metrum können nicht klar unterschieden werden, eine klare Trennung beider Phänomene ist daher nicht möglich.


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