- 173 -Lehmann, Silke: Bewegung und Sprache als Wege zum musikalischen Rhythmus 
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Das Metronom kann keinerlei Hilfe für die Lösung sensomotorischer Probleme geben.

Ein (noch so starker) Magnet kann kein Ersatz sein für die selbstbestimmte Fähigkeit im Umgang mit musikalischen Zeitgestalten. Der Weg zu rhythmisch-metrischer Stabilität, der mit dem Empfinden und Ausführen von Gleichabständigkeit beginnt, knüpft sinnvoll eher dort an, wo isochrone Muster schon im Körper vorgegeben sind, und nicht fremdbestimmt und ohne jede Flexibilität vorgegeben werden. Bereits in Abschnitt 8.2.2 war auf den engen Zusammenhang von den Gegebenheiten der Bewegungsentwicklung und den Möglichkeiten von Körperperkussion hingewiesen worden. Werden Rhythmen oder Metren mit Hilfe schlichter Bewegungsmuster erzeugt, verbinden sich die biologischen Prinzipien von Regelmäßigkeit und Flexibilität zu einer idealen Wegbereitung für den musikalischen Rhythmus.

Im Falle rhythmisch-metrischer Instabilität ist das Metronom seiner fehlenden Flexibilität wegen kein geeignetes methodisches Hilfsmittel.

Die vermeintliche Stärke des Metronoms – seine unerbittliche Regelmäßigkeit – ist gleichzeitig seine größte Schwäche. Denn das Verhältnis des Menschen zum Rhythmus toleriert nicht nur leichte Schwankungen, sondern verlangt beispielsweise im Sinne von prägnanter Gestaltbildung geradezu danach. Selbst wenn das Erscheinungsbild der Zeitgestaltung im Musizieren im ungünstigsten Fall mehr durch Irregularität gekennzeichnet ist als durch die Orientierung am Gleichmaß, kann das Empfinden für eine Gleichabständigkeit nicht von außen ›implantiert‹ werden. Ist die Fähigkeit zum Umgang mit einem Grundschlag nicht aus dem Innersten heraus entwickelt, wird das Metronom im übertragenen Sinne immer eine Krücke bleiben, die letztlich niemals verzichtbar wird. Weder im interpretatorischen Bereich noch im Lernzugang kommt dem Metronom mehr Bedeutung zu als die eines kurzfristig einzusetzenden Kontrollinstrumentes.

Sowohl im künstlerisch-ästhetischen als auch im methodischen Zusammenhang kann ein langfristiger Einsatz des Metronoms nicht sinnvoll sein.

8.3.  Vom Sprach- und Bewegungsrhythmus zum Musikrhythmus: musikpädagogische Wege

Lautäußerungen sind Bestandteil des menschlichen Lebens von seinem ersten Augenblick an: das Neugeborene erzeugt ab dem ersten Schrei strukturierte, an den Rhythmus der Atmung gekoppelte Muster (vgl. Abschnitt 5.1.3). Für den vergleichsweise unreif geborenen menschlichen Säugling ist seine Stimme zunächst die wichtigste (wenn nicht einzige) Möglichkeit, seine Bezugspersonen auf sich aufmerksam zu machen und Zuwendung zu erlangen. Rhythmische Elemente sind selbstverständliche Bestandteile dieses allerersten Ausdrucksverhaltens. Gleichzeitig ist die Aufmerksamkeit zu Lebensbeginn auf die Struktur der sprachlichen Umgebung ausgerichtet: wie in Zusammenhang mit dem Spracherwerb dargestellt (vgl. Abschnitt 5.1.1), sind Rhythmus, Phrasierung und Akzentuierung Merkmale


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