- 66 -Lehmann, Silke: Bewegung und Sprache als Wege zum musikalischen Rhythmus 
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elementar vorbereitet. Des Menschen Sprache, sein höchstes Gut, ist gleichzeitig als erste sinnliche Wahrnehmung sein frühestes Werk. (ebd., S. 80).

5.1.3.  Rhythmus und Lautäußerung

Lange bevor Sprache als Kodierungssystem für Dinge und Handlungen steht und somit zum Instrument des Denkens wird, sind lautliche Äußerungen fester Bestandteil des Verhaltensrepertoires von Säuglingen und Kleinkindern. Esther Beyer beschreibt die ersten Stimmlaute ihres Sohnes direkt nach der Geburt als aus kleinen Glissandi bestehend; diese von ihr als Muster bezeichneten Laute wurden unterschiedlich akzentuiert und befolgten einen regelmäßigen Zeitablauf:

Jedes Muster dauerte maximal eine Sekunde und wiederholte sich – mit kleinen Variationen – immer wieder neu: 10 Mal auf einmal, 20 Mal usf. Es war fast wie ein Puls der Musik. (Beyer 1994, S. 195, vgl. auch Clauser 1971, S. 97).

Selbst gehörlos geborene Kinder beginnen im Alter von mehreren Wochen zu gurren, zu prusten und zu vokalisieren. Die Laut- bzw. Geräuschproduktion ist dabei zunächst durch den Atemrhythmus bestimmt.

Auch die Nahrungsaufnahme kann von Geräuschproduktion begleitet sein, hier bestimmt der Saugrhythmus den so genannten ›Trinklaut‹: »Er ist ein ziemlich reiner Ton im Saugrhythmus des Trinkens, also ziemlich genau 1,2 mal pro Sekunde.« (Butzkamm 1999, S. 55). Weitere von Lauten begleitete Situationen oder Zustände sind Kontaktaufnahme, Unmut oder Wohlbehagen (ebd.).

Somit sind für die frühesten Lautäußerungen zwei Bereiche festzuhalten: Auf der einen Ebene begleiten Äußerungen eher zufällig physiologische Prozesse wie Atmen oder Saugen. Hier bestimmen die physiologischen Abläufe den Rhythmus. Die andere Ebene dient der Kommunikation: Kontaktaufnahme, Unmutskundgebung oder Äußerung von Wohlbehagen zielt (mehr oder weniger bewusst) auf den Dialog mit den Bezugspersonen. Beide Bereiche sind für den Säugling überlebensnotwendig: (rhythmische) physiologische Prozesse sichern die Existenz sozusagen von innen heraus, Kommunikation mit der Außenwelt stellt für den (vergleichsweise unreif geborenen) menschlichen Säugling die Möglichkeit dar, steuernd auf die Außenwelt einzuwirken. Dass auch in den kommunikativen Prozessen schon zeitlich-rhythmische Feinabstimmung stattfindet, wird Abschnitt 5.2 Sprache und Bewegung (besonders 5.2.2) noch darstellen.


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