- 199 -Lehmann, Silke: Bewegung und Sprache als Wege zum musikalischen Rhythmus 
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letzteres langsam (gestaltet sich nicht beides eher triolisch?). Natürlich ist es möglich Sprache zu rhythmisieren, Abschnitt 8.3 hat den Wert dieser Vorgehensweise dargestellt. Die Vorteile der Verwendung von Sprachrhythmen liegt aber jenseits der kognitiven Ebene: rhythmisches Sprechen ist motorisch leicht zu realisieren, es kommt der impliziten Erfahrung von Rhythmen zugute und bedient das Bedürfnis nach Anschaulichkeit. Gleichzeitig können die Sprachinhalte Assoziationen und Emotionen hervorrufen und – bei geschickter Verwendung – das musikalisch-rhythmische Lernen stützen und vertiefen.

Ernst und andere versuchen dagegen, mit den »Lernwörtern« ein verbindliches Wissen um die rechnerisch-proportionalen Verhältnisse von Dauern zu etablieren. Aus zwei Gründen steht dieser Ansatz auf tönernen Füßen: einerseits sind Sprachrhythmen eher ungefähr, nicht mathematisch exakt, zweitens stehen die kognitiven Strukturen der Zielgruppe (Vor- und Grundschulkinder) noch nicht bereit, die rechnerische Dimension von Rhythmen intellektuell zu erfassen. Intellektuelles Wissen um rhythmische Zusammenhänge ist nicht grundsätzlich negativ, es muss allerdings wohl dosiert und auf den Entwicklungsstand der Lernenden abgestimmt sein.

›Ta Titi – Der Rhythmusindianer‹: ein Rätsel und Malbuch von Katharina Apostolidis

Der Titel von Katharina Apostolidis Unterweisung in das Thema Rhythmus lautet: »Tatiti – Der Rhythmusindianer«, ein so genanntes Rätsel- und Malbuch, das von der Autorin für Kinder im Alter von sechs bis elf Jahren bestimmt ist (Apostolidis 2000). Dieser Titel weckt Erwartungen: zum einen suggeriert er, die Methode sei schwerpunktmäßig auf Rhythmussprache aufgebaut, zum anderen lässt das Stichwort ›Indianer‹ auf themengebundene, fantasievolle Aktionsformen hoffen, die womöglich viele Sinne ansprechen. Diese Annahmen werden enttäuscht: außer vereinzelten Anweisungen, Viertelnoten zu gehen und zu jedem Schritt die Silbe Ta zu sprechen, nimmt das Büchlein keinen Bezug zur Rhythmussprache. Im Gegenteil: gleichzeitig mit der Silbe Ta werden die Bezeichnungen Viertelnote und »1-Fussnote« (ebd. S. 5) eingeführt. Auch das Indianer-Thema wird nicht nennenswert vertieft: alle folgenden Seiten beschäftigen sich damit, Noten korrekt zu malen, Taktstriche zu ziehen, zu zählen und zu rechnen.

Handlungsanweisungen, die diese kognitive Ebene verlassen, finden sich nur im Vorwort:

Da Rhythmus auch immer etwas Fühl- und Hörbares sein sollte, können viele Rätselaufgaben ebenso als Ergänzung z. B. geklatscht, gesungen oder auf dem Instrument gespielt werden. (ebd., ohne Seitenangabe).

Ähnlich wie bei Ernsts Rhythmus-Einmaleins fehlen substantielle Handlungsanweisungen zu diesen sparsamen Vorschlägen. Das Abspielen von notierten Rhythmen geschieht im Instrumentalunterricht sowieso ständig; wenn ein Rhythmus überhaupt geklatscht oder gesungen wird, dient dies in der Regel mehr als Zulieferdienst zur möglichst fehlerfreien Ausführung von Notentexten. Die von Apostolidis benannte Idee »Kinder mit Phantasie und Spaß in die Welt des Rhythmus einzuführen« (ebd.) bezieht sich bei näherem Hinsehen ausschließlich auf die ›Verpackung‹ des rechnerischen Zugangs. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass der


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