➢ Rhythmische Kompetenz beruht auf dem Empfinden für Spannung und Lösung. Ein weiterer wichtiger Baustein für den Umgang mit Rhythmen ist das
Orientierungsvermögen an einem Grundschlag. Dieser erscheint oftmals gar nicht real,
sondern nur in der Vorstellung. Körperliche Reaktion auf das Vorhandensein eines
zugrunde liegenden Pulses ist beispielsweise das häufig zu beobachtende Mitwippen mit
dem Fuß oder andere minimale Körperbewegungen. Auch Musik, in der kein
durchgehender Schlag spürbar wird, greift vermutlich in der Verarbeitung auf
Wahrnehmungsstrukturen zurück, die auf Regelmäßigkeit ausgerichtet sind. Denn Zeit
kann nur dann als solche wahrgenommen werden, wenn auf zurückliegende ›Eckdaten‹
zurückgegriffen wird, um daraus Erwartungen auf kommende Ereignisse bilden zu
können. Die Erfahrung von Unregelmäßigkeit, von Dehnung, Raffung, Stillstand oder
Chaos beruht auf dem ›Wissen‹ um Regelmäßigkeit. Darum ist der Grundschlag (in der
musikalischen Umgangssprache auch als Metrum bezeichnet) so grundlegend für alle
Arten von rhythmisch-musikalischen Erscheinungen. Auch wenn betont werden
muss, dass die Erfahrung von Rhythmus die Erfahrung des Grundschlags stützt,
intensiviert und vielleicht auch erst ermöglicht, soll hier die basale Funktion des
Isochronie-Empfindens unterstrichen werden.
➢ Rhythmische Kompetenz besteht im Empfinden für Anwesenheit oder Abwesenheit eines gleichmäßigen Grundschlags. Frühe Formen von Bewegung sind die so genannten Stereotypien wie Schaukeln,
Rudern mit den Armen, Wiegen des ganzen Körpers oder Treten mit den Beinen.
Diese reflexartigen Aktivitäten stellen eine wichtige Brücke zu differenziertem
Bewegungsverhalten dar – und sie sind rhythmisch-regelmäßig. Hier liegt in der
natürlichen motorischen Ausstattung ein Phänomen vor, das dem Grundschlag in der
Musik entspricht. Diese Anlage kann in Aktionsformen der Körperperkussion sinnvoll
aufgegriffen und konstruktiv verwendet werden. Mit Klanggesten wie Patschen
(das an das symmetrische Rudern mit den Armen der frühen Säuglingszeit
anknüpft) oder Klatschen kann eine gleichmäßige, in sich gleichabständig angelegte
Bewegungsform musikalisch umgedeutet werden. Mit diesem Grundschlag kann nun
erklingende Musik begleitet werden, mit etwas Übung kann eine Zweistimmigkeit aus
gleichmäßig wiederholter Klanggeste und einem gesprochenen Vers oder Liedtext
entstehen.
➢ Die natürliche Entwicklung hält Bewegungsrhythmen bereit, die einem Grundschlag in der Musik gleichen. Diese Bewegungen der frühen Lebenszeit sind allerdings keine Fortbewegungen. Lange bevor Kleinkinder krabbeln oder gar laufen, haben sie eine ausgedehnte Zeit Bewegungen mit den Extremitäten am Platz ausgeführt. Das in der Musikpädagogik so hoch gelobte ›Gehen‹ zum Grundschlag von Musik setzt somit zu hoch an. Besonders die oberen Extremitäten sind entwicklungsbedingt viel eher und differenzierter in der Lage, rhythmisch genau zu agieren als die Beine. Häufig werden Vorschläge zur rhythmischen Schulung gemacht, die zielgenaue ganzkörperliche Bewegungen zum Grundschlag vorsehen, es soll rhythmisch-regelmäßig in ausgelegte Reifen gesprungen oder ein Ball geprellt werden. Dabei wird häufig übersehen, dass |