- 37 -Lehmann, Silke: Bewegung und Sprache als Wege zum musikalischen Rhythmus 
  Erste Seite (i) Vorherige Seite (36)Nächste Seite (38) Letzte Seite (264)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

werden. Als Begründung führt er an, dass sich die Phasenbeziehung von Schlaf-/Wachzeit und Körpertemperatur bei Menschen, die abgeschieden vom natürlichen Tageslicht oder Uhren ihren ganz eigenen Rhythmus leben – unter so genannten Freilauf-Bedingungen – drastisch ändert. Im Normalfall werden die niedrigsten Temperaturen nach dem Aufwachen gemessen, diese steigen dann im Tagesverlauf an und fallen wiederum in der folgenden Schlafphase. Unter Abschluss von der Außenwelt dagegen liegen die Höchstwerte zu Beginn der Wachzeit und sinken im Tagesverlauf ab. »Diese Beobachtung legt die Vermutung nahe, daß der Schlaf-Wach-Rhythmus und der Rhythmus der Körpertemperatur von verschiedenen zentralen Oscillatoren gesteuert werden.« (Aschoff 1998, S. 140).

Auch Untersuchungen von Meier-Koll führen zur Annahme verschiedener Oszillatoren. Er erforschte das Schlafverhalten von Neugeborenen und fand einen 50-Minuten Rhythmus im Wechsel der Schlaf-Stadien von REM- und Non-Rem-Schlaf, einen vierstündigen Wechsel von Wachen und Schlafen, an den auch die Nahrungsaufnahme gekoppelt ist und eine circadiane Periodik mit der Tendenz zu einer längeren Schlafphase in der Nacht. Bemerkenswert an dieser Studie ist, dass Meier-Koll nachweisen konnte, dass diese drei Rhythmen interaktiv waren:

It seems that awakening occurred predominantly at times during which a REM stage should probably occur, if the infant would keep on sleeping. Similarly, the end of a waking epoch seemed to be also correlated with the 50-minute cycle. (Meier-Koll 1979, S. 185).

In diesem Zusammenhang ist auch hervorzuheben, dass der circadiane Rhythmus noch nicht in den ersten Lebenswochen vorliegt, sondern sich im Laufe der ersten Lebensmonate entwickelt, d. h. einem Prozess der Reifung unterliegt (vgl. Meier-Koll 1995, S. 95ff.). Außerdem muss berücksichtigt werden, dass die beschriebenen Zeitangaben als Mittelwerte aus einer großen Zahl beobachteter Daten gewonnen wurden und somit Tendenzen wiedergeben, keine absoluten Werte.

Zur Lokalisation der tagesperiodischen Uhr

Im Tierversuch ist es gelungen, die Zeitgeber der oben schon erwähnten Falter nicht nur zu lokalisieren, sondern auch zu transplantieren (vgl. Meier-Koll 1995, S. 42ff.). Dabei wurde den verpuppten Faltern ihr Gehirn entnommen, ohne dieses schlüpften die Tiere zu beliebiger Tageszeit. Verpflanzte man das Gehirn dem enthirnten Tier in den Bauchraum, zeigte es sein ursprüngliches Schlüpf-Verhalten. Tauschte man das Hirngewebe der verschiedenen Arten aus, so schlüpften die ursprünglich am Morgen schlüpfenden Arten nun abends und umgekehrt. Ähnliche Versuche unternahm man mit Ratten oder anderen kleinen Nagern. Dabei wurde jedoch nicht das gesamte Gehirn übertragen, sondern nur ein kleiner Teil, der so genannte suprachiasmatische Nucleus (vgl. auch Abschnitt 7.2). Das Chiasma ist die Kreuzung der Sehnerven beider Augen, über diesem Ort »verdichtet sich das neuronale Zellgewebe in einem Volumen von wenigen Kubikmillimetern« (ebd., S. 51). Zerstört man einer Ratte diese speziellen Zellen, verliert das Tier seinen circadianen und ultradianen Rhythmus, tauscht man besagte Zellen unterschiedlicher Rattenarten, zeigen sie wieder circadiane Rhythmen, jedoch den des jeweils anderen Typs. Im beschriebenen Fall zeigte der Wildtyp der Ratte eine ungefähre


Erste Seite (i) Vorherige Seite (36)Nächste Seite (38) Letzte Seite (264)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 37 -Lehmann, Silke: Bewegung und Sprache als Wege zum musikalischen Rhythmus