- 47 -Lehmann, Silke: Bewegung und Sprache als Wege zum musikalischen Rhythmus 
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rhythmisch-stereotype Verhalten eine Selbststimulation darstellt. Neben der oben dargestellten Funktion als Wegbereitung zur differenzierten Bewegungssteuerung können Stereotypien also auch kompensatorisch wirken.
Rhythmische Stereotypien können als (kompensatorische) Selbst-Stimulation gedeutet werden.

Eine weitere Funktion von rhythmischer Wiederholung von Signalen ist aus der Verhaltensforschung mit Tieren bekannt, hier erhöht selbige die Kommunikationsbereitschaft. Versuche, in denen Mütter das Verhalten von Säuglingen in Filmsequenzen beurteilen sollten wiesen nach, dass Kinder, die rhythmisch agierten als ›aufgeregt‹ eingeschätzt wurden und dazu animierten, ihnen rasche Zuwendung zu geben.

Rhythmische-regelmäßige Aktivität erregt Aufmerksamkeit und erhöht die Kommunikationsbereitschaft.

Thelen stellte auch die Frage nach den phylogenetischen Ursprüngen. Hierzu wurde eine Untersuchung durchgeführt, bei der die Beinbewegung von Säuglingen im Alter von einem Monat beobachtet wurde. Diese wurden in Erwartung einer Mahlzeit in Rückenlage gebracht und die charakteristische Tretbewegung eines Beines gefilmt. Die genaue Analyse der Videosegmente zeigte eine verblüffende Übereinstimmung der Beinbewegung mit dem Ablauf im späteren, tatsächlichen Laufen. Nicht nur die Bewegungsform sondern auch deren Dauer variierte kaum. Thelen folgert daraus das Vorhandensein interner Steuerungsprogramme:

The demonstration that kicking may be an expression of a central motor program later used for locomotion opens the possibility that other infant rhythmicities are also manifestations of intrinsic neural oscillators, and that these simple coordination similarly form a basis for more mature, skilled behavior. (ebd., S. 244).

Es ist anzunehmen, dass diese rhythmischen Muster nicht nur charakteristisch für die Lokomotion sind, sondern generell für jegliche Grob- und Feinmotorik Bedeutung haben. Des Weiteren vermutet Esther Thelen, dass das Stadium rhythmischer Stereotypien kein reines Übergangsstadium in der Kindheit ist, sondern bis ins Erwachsenenalter immer wieder den Weg zu einer besonderen koordinativen Fertigkeit bereitet.

Stereotyp-rhythmisch wiederholte Bewegungen können als Ausdruck interner neuronaler Oszillatoren gedeutet werden.

Abschließend muss auf die fundamentale Bedeutung rhythmischer Stereotypien in der menschlichen Entwicklung hingewiesen werden. Zunächst einmal resultiert der Wert des Phänomens – gerade für die Nutzung in (musik)pädagogischen Prozessen aus seiner Vielfältigkeit. Rhythmische Stereotypien sind bedeutsam sowohl für physische, psychische als auch soziale Prozesse – und berühren damit den Menschen in seinem ganzen Wesen. Von dieser Tatsache kann in musikbezogenen Lehr- und Lernprozessen auf verschiedenen Ebenen profitiert werden. Instrumentalunterricht dreht sich in wesentlichen Teilen um die Anbahnung motorischer Fertigkeiten. Hier kann ein geschickter methodischer Aufbau seinen Anfang in kleinen, der körperlichen Entwicklung angepassten und rhythmisch unablässig wiederholte Mustern


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