- 67 -Lehmann, Silke: Bewegung und Sprache als Wege zum musikalischen Rhythmus 
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Physiologische Abläufe
(Atmen, Saugen)

Kommunikation
(Kontaktaufnahme, Unmutsäußerung)

  • eher zufällig
  • physiologischer Rhythmus
  • Existenzsicherung von innen

  • zielgerichtet
  • Rhythmus in Abstimmung mit Bezugspersonen
  • Existenzsicherung durch die Umgebung


Der Beginn sprachrhythmischer Steuerung

Ungefähr zwischen dem zweiten und vierten Monat setzt das stimmhafte Lachen ein, mit 6 bis 11 Monaten beginnt die so genannte Lallphase. Diese ist gekennzeichnet durch die Produktion von Silbenverdopplungen oder Silbenketten wie ›dada‹, ›mama‹ oder ›bababababa‹. Diese Silbenrepetitionen werden als wichtiger Meilenstein im Spracherwerb angesehen, hier ist der Beginn des willkürlichen Sprechens anzusiedeln (vgl. Grimm 1995, S. 714; Papoušek 1994, S. 84ff.). Papoušek weist darauf hin, dass die Vokalisationsform der kanonischen Silben, also das Bilden monosyllabischer Paare oder Ketten, in zeitlichem und womöglich auch funktionellem Zusammenhang mit motorischen Stereotypien steht. Wie schon im Abschnitt 4.4.2 dargestellt wurde, sind Stereotypien repetitive Bewegungen von Gliedmaßen oder Torso wie Treten, Schaukeln, Wiegen oder Winken; diese Aktivitäten können als Übergang von unwillkürlichen, reflexhaften Bewegungen zu gesteuerter, koordinierter Motorik gesehen werden. Die reduplizierten Silben des kanonischen Lallens können als minimale rhythmische Einheiten gelten, deren allmählich bewusste Steuerung sich nun von der eher zufälligen Begleitung anderer Körperrhythmen (Atmen, Saugen, s. o.) emanzipiert.

Ein weiterer Hinweis auf den frühen gezielten Einsatz von prosodisch-rhythmischer Gestaltung ist die Tatsache, dass schon mit ungefähr acht Monaten im Silbenplappern die jeweilige Muttersprache erkenntlich wird (Papoušek 1994, S. 115). Eine Untersuchung an Säuglingen, die mit Eltern aufwuchsen, die ihrer Gehörlosigkeit wegen nur in Gebärdensprache kommunizierten, konnte zeigen, dass eine grundsätzliche Aufgeschlossenheit gegenüber Rhythmusmustern besteht, nicht nur auf der auditiv-sprachlichen Ebene. Die Babys, die mit gebärdenden Eltern aufwuchsen zeigten neben den üblichen Handgesten auch solche mit einem verlangsamten rhythmischen Verlauf, der in Zusammenhang mit den bei den Eltern beobachteten Gebärdensprach-Rhythmen stand (vgl. Petitto u. a. 2000).

Das Element Rhythmus ist schon im ersten Lebensjahr wichtiges Merkmal beginnender (Sprach-)Steuerung.
Die einfachste Aktionsform ist die Verdopplung oder Verkettung identischer Handlungseinheiten (im Fall von Sprache Silben).


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