Ich gebe dann auch Standards ein und mache dann quasi nur diese
Begleitband dazu [...]. Es ging für mich mehr darum, erst mal [etwas] zum
Üben [...] zu haben, ’ne Bass-Spur oder auch so ein bisschen Drums oder
ein paar [andere] Instrumente. Und dann zu improvisieren, dann mal so im
Circle laufen zu lassen [...]. So eine sehr effektive Möglichkeit zu haben,
einmal verschiedene Tempi zu spielen und dann locker zu transponieren. Das
lässt Aebersold auch nicht zu [...], das geht ja nur mit MIDI.
Weitere Varianten liegen in der Klärung musikalischer Sachverhalte, dem Überprüfen der
eigenen Spieltechnik oder dem Heraushören von neuem Material:
Und dann habe ich auch mal ein Jazzstück nach Noten eingetippt.
Also, weil ich gerade im Moment ein Problem mit dem Dreivierteltakt
habe, da feelingsmäßig überhaupt reinzukommen. Das war ein Stück im
Dreivierteltakt, ein Jazzstück. Da habe ich die Noten halt einfach eingegeben
und mir da so einen Synthesizersound eingestellt, den ich ganz nett fand,
um halt auch die Vorstellung zu kriegen vom Dreivierteltakt (Tibor P.).
Ich nutze den Computer eben manchmal auch zum Üben, d. h. ich spiele
was ein und kann mich dann gut kontrollieren, weil ich dann sehe, wenn ich
zwei Minuten was gespielt habe, was ich ganz klasse fand und höre es mir
an, dass das dann total schlampig und unsauber gespielt ist, ich im Timing
schwanke und die Intonation dann doch nicht so klasse ist, beim Saitenziehen
und so, da hilft mir das auch. Oder auch zum Sachen raushören, dass ich
mir ein Solo raushöre und genau diese Schleife bauen kann, wo immer nur
dieses Solo ist, und kann es auch mal ein bisschen langsamer hören. Das
wären Möglichkeiten, die ich ohne PC nicht hätte (Bastian L.).
Diskussion
Bezeichnend für alle diese Beispiele ist, dass nicht spezielle Lernsoftware genutzt
wird. Vielmehr werden für den Bereich der Aneignung von Popmusikstrukturen
traditionelle, aus der autodidaktischen Praxis herausgehende Übevarianten,
wie das Improvisieren zu Schallplatten oder das Heraushören einzelner Parts
aufgegriffen und variiert, mitunter durch die neue Technologie auch perfektioniert.
Hören kann dabei sinnvoll durch Visuelles unterstützt werden, sei es durch den
Rückgriff auf MIDI-Daten, die herkömmliche Notation wiedergeben, oder durch
Zuhilfenahme von exakten Tonhöhendarstellungen im Audio-Fenster, die z. B. bei der
Überprüfung des Saitenziehens hilfreich sind. Lernprogramme hingegen scheinen dem
Lernbedürfnis dieser Musiker nicht entgegenzukommen. Björn W., der als Einziger
zeitweilig per Computer Gehörbildung trainierte, tat dies vor seiner eigentlichen
Recording-Praxis.
7.2. Resümee
Die hier beschriebenen Motive zeigen Funktionszuweisungen an die Arbeit mit dem
Computer in musikalischen Zusammenhängen, die sich in den Äußerungen der
interviewten Musiker zu erkennen gaben. Naturgemäß sind es Extrakte, die selten in
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