auf einer rationalen Ebene angegangen wird, indem Gitarristen
oder Keyboarder Drumpatterns auf der Ebene des von Bastian L. kritisierten
Punkte-oder-Kreuze-in-ein-Raster-Setzens programmieren. Sie zeigen sich auch, wenn
›live‹ eingespielte Sechzehntelnoten nicht durch Hörkontrolle, sondern über den
entsprechenden Editor auf ihre Exaktheit hin kontrolliert werden oder wenn als
unspielbar empfundene Melodiefiguren Note für Note per Mausklick eingegeben werden.
Inwieweit diese Praktiken auf das musikalische Verständnis der Probanden zurückwirken,
kann hier nicht verlässlich geprüft werden. Vieles deutet jedoch darauf hin, dass das
Arbeiten mit bildhaften Darstellungsmodi in den meisten Fällen nicht zum
zentralen Element des MIDI-Recordings geworden ist. Im Gegenteil: Gerade der
Wunsch, einfach loszulegen oder neue Ideen improvisatorisch anzugehen, zeigt eine
ausgeprägte Bevorzugung eher traditioneller Spielpraktiken. Auf der MIDI-Ebene
wird vorrangig hörend, nicht sehend komponiert. Auf Dauer, so scheint es,
ist es für die meisten der hier interviewten PC-Musiker auch kaum attraktiv,
ihre Tätigkeit allein darauf zu beschränken, mit dem Finger auf eine Maus zu
klicken.
8.2.2. Zur Arbeit mit MIDI-Files
Dieses Verfahren ist die Ausnahme. Intensiv wird es von zwei Musikern genutzt, die
fremde Songs covern und bei Live-Auftritten teilweise auf Sequenzer zurückgreifen.
Hierbei kommen gekaufte oder aus dem Internet herunter geladene MIDI-Files zum
Einsatz. Wie Thomas Q. beschreibt, ist das Verwenden von MIDI-Dateien weit
verbreitet und zumindest bei Alleinunterhaltern gang und gäbe – nicht nur bei der
ohnehin mit digitaler Technik meist vertrauten, jüngeren Computergeneration: »Auch
die Älteren, die über Sechzig [. . . ] spielen MIDI-Files ab.«
Im Gegensatz dazu, wie er es bei vielen seiner Musikerkollegen erlebt, unterzieht
Thomas Q. die Files aber einer mitunter deutlichen Bearbeitung:
So was nehme ich als Grundlage und dann mache ich was draus. Ich mache
z. B. eine Gitarre dazu. Die setze ich selbst mit dem Computer.
Ähnlich geht auch Michael K. vor. Allerdings müssen einige der ursprünglichen Spuren
aus dem Arrangement gelöscht werden, da die Band neben Keyboards auch über Gitarre
und Bass verfügt:
Ich [habe] dann die Möglichkeit [...] zu entscheiden: Diese Parts lasse ich
draußen [aus der File], die gefallen mir nicht, oder die möchte ich gern selbst
spielen. Dann tue ich die raus, um Platz zu schaffen und um [live] dazu
spielen zu können. [...] Da bin ich verhältnismäßig kreativ, weil ich oftmals
einfach selber probiere, wie es klingt und was man dazuspielen kann. Ich bin
eigentlich nicht dazu geneigt, [...] den Part, den ich jetzt rauslösche, [...]
live [genauso] zu spielen. Es sei denn, mir fällt jetzt garantiert nichts ein, wo
ich dann sage: »Alles andere, das bremst, das passt nicht!« Dann kann das
schon mal vorkommen, dass ich sage: »Okay, dann spielst du den Klavierpart
so wie er gespielt worden ist oder lässt die Streicher so liegen, oder nimmst
das, nimmst vielleicht mal einen anderen Sound!« Aber sonst versuche ich
eigentlich schon, mir das anzuhören und zu gucken, aus dem Bauch heraus,
was gut klingen könnte.
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