Popstücken,
aber auch von Jazzstandards oder klassischen Kompositionen sind MIDI-Files
erhältlich.
Unbeachtet von der Öffentlichkeit ist mit dem MIDI-File-Format eine Entwicklung
vonstatten gegangen, wie sie, wenn auch in anderem Ausmaß, im Bereich von mp3
bekannt ist: Zahlreiche Internetseiten bieten Dateien zum kostenlosen Download an.
Teilweise handelt es sich dabei um illegal ins Netz gestellte Kopien kommerzieller Files,
teilweise aber auch um selbst produzierte Arrangements unterschiedlicher Qualität. Zwar
gelten für MIDI-Files die gleichen Copyright-Bestimmungen wie für Audioaufnahmen
oder Notenmaterial. Ihre Verbreitung ist demnach nicht zulässig. Die Einhaltung dieser
Gesetze wird aber nicht mit gleicher Konsequenz verfolgt und es ist problemlos möglich,
an die gewünschten Titel zu kommen.
Wichtigste Zielgruppen der Produzenten kommerzieller MIDI-Files sind
Amateur-Keyboarder, die diese Dateien in Easy-to-play-Manier in ihre Instrumente
laden, um dann karaokemäßig hierzu zu spielen, oder eben Alleinunterhalter und
Oldie-Bands. Ihnen bietet das Format die Möglichkeit, live auf ein umfangreiches
Repertoire anspruchsvoller Arrangements zurückzugreifen, ohne die entsprechenden
Instrumentalisten stellen und einüben zu müssen. Bei Michael K.’s Band wird auf diese
Weise der Schlagzeuger ersetzt und darüber hinaus der Gruppensound um zusätzliche
Keyboard- und Bläsersounds bereichert.
Bezeichnend für Michael K. und Thomas Q. ist, dass sie aus den Files nicht nur die
später live beizusteuernden Gesangs- und Keyboardspuren heraus löschen, sondern mehr
oder weniger gravierende Eingriffe vornehmen. Beide versuchen, das vorgegebene
Arrangement ihren Wünschen entsprechend zu optimieren. Die in den MIDI-Files als
prinzipiell unabgeschlossenem Format inneliegende ›Aufforderung zum Weitermachen‹
wird aufgegriffen.
8.3. Audiopraxis
Die Idee der Nutzung des PCs als Mehrspurstudio, die als Multitrack-Metapher
(Théberge 1997) schon der Konzeption der ersten MIDI-kompatiblen Software-Sequenzer
zugrunde gelegt wurde, wird mit der Einbeziehung des Harddiscrecordings vollends
umgesetzt. Erst mit der Fähigkeit zur Aufnahme von Audiosignalen wird der Rechner
zur virtuellen Mehrspurmaschine (s. Kap. 2). Nach der Behandlung MIDI-bezogener
Fragestellungen steht deshalb nun die Frage im Vordergrund, wie PC-Musiker
die Möglichkeiten der Audioaufzeichnung und -bearbeitung in ihre Tätigkeit
integrieren.
Das Schaffen eigener Musik mit dem PC, so wurde im bisherigen Verlauf dieser Arbeit
festgestellt, lässt sich im wesentlichen zwei künstlerischen Bereichen und hierzu in
Beziehung stehenden Aufnahmepraktiken zuordnen. Einerseits zeigt es sich
als Erweiterung des konventionellen Rock/Pop-Songwritings. Auch wenn von
elektronischer Sounderzeugung und MIDI-Programmierung Gebrauch gemacht wird:
Wesentlicher Bestandteil des Kompositions/Aufnahmeprozesses sind vorab am
Instrument entwickelte Ideen, die am PC weiter ausgearbeitet oder einfach nur
akustisch festgehalten werden. Gerade für die aus der klassischen Rockmusik-Praxis
erwachsenen Gitarristen bietet Harddiscrecording die Möglichkeit, Songideen am
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