1.1.1. Die Entwicklung analoger Mehrspurverfahren
Schon um 1930 wurde mit Overdubbing-Techniken
experimentiert.2
Für Théberge (1997, 217) liegt der Weg zum Overdubbing im Wesen mechanischer
Reproduktion: »The idea of overdubbing separate performances by a single (or multiple)
individual(s) is [. . . ] rooted in the technology of mechanical reproduction itself. Once a sound
is made repeatable through mechanical reproduction, it lends itself to being experimentally
combined with other sounds in an empirical manner that is not possible, or at least not in the
same way, through notation.« Als Beispiel für ›Overdubs‹ noch ohne Verwendung direkter
Klangaufzeichnung führt Théberge von Igor Stravinsky zwischen 1917 und 1927 angefertigte
Pianola-Rollen an, bei denen der Komponist vierhändig arrangierte Klavierauszüge seiner
Orchesterstücke in aufeinander folgenden Schritten mit sich selbst einspielte.
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Noch auf der Basis der Schallplatten-Direktaufnahme (Schwandt, Erich 1931; Frerk 31938)
wurde in aufeinander folgenden Arbeitsschritten Sound on Sound – bzw. Disc to Disc –
aufgenommen. Die in einem vorausgegangenen Vorgang auf einen Schallplattenrohling
aufgezeichnete Musik diente als Grundstock für weitere Einspielungen. 1931
veröffentlichte der Opernsänger Laurence Tibbett eine Aufnahme des Cuban Love
Song, bei der er die zuerst aufgenommene Tenorstimme nachträglich um einen
Baritonpart ergänzte. Zehn Jahre später fertigte der Swingmusiker Sidney Bechet eine
One-Man-Band-Aufnahme des Stücks The Sheik of Araby, auf der er durch mehrfache
Überspielvorgänge zwei Saxophone, Klarinette, Piano, Bass und Schlagzeug eingespielt
hatte.3
The Cuban Lovesong ist erhältlich auf: Lawrence Tibbett in Opera (NIMBUS Prima Voce
NI 7825). The Sheik of Araby wurde wiederveröffentlicht auf The Legendary Sidney Bechet
(Bluebird Records 6590-1-RB).
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Als weiterer Pionier der Multitrack-Aufnahme gilt der amerikanische Gitarrist
Les Paul. Paul experimentierte lange Zeit mit der Disc-to-Disc-Aufnahme
und ging dann später zur Aufnahme auf Magnetband über. 1947 spielte
Paul eine Version der Rogers/Hart-Komposition Lover ein, mit der es ihm
laut Steve Waksman (1999, 57) gelang, im Alleingang ein »multi-tracked
orchestra of eight guitars with skeletal rhythmic accompaniment on drums« zu
erzeugen.4
Paul hatte ein System entwickelt, das es ihm ermöglichte, mittels spezieller Filtertechniken
und einer zeitlichen Rangfolge der Aufnahmeschritte – was am Wichtigsten war, wurde zuletzt
aufgenommen – die bei dieser Aufnahmetechnik unweigerlich auftretenden Klangverluste
weitgehend zu umgehen. Er legte bis zu vierundzwanzig, nach dem Umstieg auf
Tonbandtechnik bis zu 37 Schichten übereinander (Beacham 2002).
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Waksman weiter:
The song openes with a moderately paced statement of the melody,
during which Paul’s method of layering tracks of guitars is fully in
evidence. In the background is a single bass track providing harmonic
counterpoint, played on the lower strings of the guitar; the midrange is
covered by a set of tracks that outlines the melody through a lilting
chord progression with a single-note turnaround; and the forground of the
piece is occupied by a chorus of upper-register, picked, mostly arpeggiated
lines that elaborate the melody. [...] The high-pitched parts create a
swirl of sound that dances around the main melody with a rapidity
that is partly due to Paul’s sure technique as a guitarist, and partly
due to his manipulation of the speed of his recording equipment (ebd.,
57f).5
Lover wurde wiederveröffentlicht auf: Les Paul – The Legend Goes On. Capitol
(1991).
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Das von Paul praktizierte Overdubbing brachte ein neues Bild sowohl vom
aufnehmenden Musiker als auch vom Wesen der Aufnahme: »Lover presented a new
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