- 16 -Menzel, Karl H.: PC-Musiker 
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Das von Can praktizierte Entwickeln musikalischer Grundstrukturen aus der Improvisation wird auch von Brian Eno praktiziert. Eno beschreibt ein Vorgehen, »wo ich eine Gruppe für einen Tag zusammenstecke und dann aus den Bändern die Sache aufbaue« (in: Gillig 1977, 22). Hierbei geht es gerade darum, spontane, nicht planbare Ideen einzufangen. Eno weiter:

[W]enn die Leute noch nicht miteinander vertraut sind, das ist dann der aufregendste Teil, die beste Zeit zum arbeiten. Die Musik ist dann noch nicht völlig unter Kontrolle. [...] [I]ch bin vor allem auch daran interessiert, Situationen zu konstruieren, die zu etwas führen, was ich nicht voraussagen oder erwarten konnte (ebd.).

Viele Bands gehen mit Songfragmenten ins Studio, die dann als Grundplayback eingespielt, geschnitten und durch improvisierte oder während der Aufnahmen arrangierte Overdubs ergänzt werden. Irmin Schmidt beschreibt den Entstehungsprozess einer Can-Single:

Bei ›I Want More‹ [...] [hatten wir] ein Riff von Michael (Karoli, Gitarrist der Can), und wir haben dann einen Rhythmus dazu gemacht, haben dann die Orgelmelodie gehabt. [...] [E]s ist doch so, daß wenn ein Stück durch eine Idee, Rhythmus, Melodie usw. zwar festgelegt ist, daß es sich doch noch ändern kann - wenn man ein Solo draufspielt, oder wenn man noch einen Gesangs-Track drüberlegt. Als z. B. bei ›I Want More‹ klar war, welchen Grundrhythmus es haben sollte, hatten wir noch nicht die geringste Idee, welcher Gesang darauf kommen sollte (in: Lippegaus 1976, 33).

Und der mittlerweile verstorbene Lowell George äußert sich zur Aufnahme des Little-Feat-Songs Dixie Chicken:

Dixie Chicken is a combination of live [...] three hour sessions and very long, complex drawn overdubs. [...] ›Dixie Chicken‹ started out as bits and pieces of tape, and evolved into a song (in: Kendall 1976, 6; zit. n. Spieß 2000, 198).

Der Begriff Komposition wird in diesen Beispielen im wörtlichen Sinn genutzt: als Zusammenfügen musikalischer Elemente. Musikalische Ideen und pieces of tape werden einem additiven Ansatz folgend um weitere Form- und Arrangementteile ergänzt. »[C]omposition is the process of adding more« (Eno 1983, 57).6

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Traditionelle Aufnahmepraktiken kommen aber auch weiterhin zum Einsatz. Neben Kostengründen – Studiozeit ist teuer – sind es oftmals Vorbehalte gegenüber einem ›unnatürlichen‹ Spiel bei der sukzessiven Aufnahme und der Wunsch nach einem möglichst authentischen Klangereignis, die zum Verzicht auf übermäßigen Technikeinsatz führen. So liegt für den Produzenten John Hammond, der mit Künstlern wie Stevie Ray Vaughan, Aretha Franklin, Bob Dylan und Count Basey arbeitete, der Reiz gerade im Festhalten live-ähnlicher Musikdarbietungen: »Je mehr du versuchst, etwas zu korrigieren, desto weniger Spontaneität ist auf der Platte« (Jepson 21985, 56). Für Hammond ist die im direkten Zusammenspiel entstehende Spontaneität »die grundlegende Qualität von Plattenaufnahmen« (ebd.). Als gezielte Gegenbewegung zur Dominanz der Studiotechnik kann die von Musikern wie Lee Ritenour, Larry Carlten und Taj Mahal in den 1980er Jahren betriebene Rückbesinnung auf die Direct-To-Disc-Aufnahme gesehen werden. Ziel war es eben gerade das besondere Live-Feeling einzufangen, aber auch durch Umgehung der Magnettechnik ein besseres Klangresultat zu erzielen. Diese Direct-To-Disc-Platten blieben jedoch weitgehend eine Ausnahmeerscheinung und waren nur für einen kleinen Liebhaberkreis von Interesse.


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