2.1.2. Kritikpunkte am MIDI-Standard
MIDI war von Beginn an ein Kompromiss. Anders als es bei einem zukunftsorientierten
High-Tech-Produkt zu erwarten gewesen wäre, wurde nicht das technisch Mögliche,
sondern in vielfacher Hinsicht das am preisgünstigsten Machbare realisiert. Vorgabe war,
dass die Schnittstelle ein Instrument nicht wesentlich verteuerte. So wurde der Standard
schon bei seiner Einführung wegen technischer Unzulänglichkeiten kritisiert. Einige
Kritikpunkte im Einzelnen (vgl. Noll 1994, 140ff):
Veraltete oder ungebräuchliche Technologien
›Veraltete‹ Technologie zeigt sich schon im Bereich der Kabelverbindung. Die
genutzten DIN-Stecker waren vor der Einführung des Standards wegen ihrer
Störungsanfälligkeit in der professionellen Bühnen- und Studiotechnik verpönt und
führten wegen mangelnder Arretierbarkeit auch beim MIDI-Einsatz häufig zu
Problemen. Auch war die nahe liegende Verbindung von MIDI-Instrumenten und
Computern nur mittels eines zusätzlichen Adapters möglich. (Dieses Defizit wurde von
den Herstellern der Atari-Computer durch den serienmäßigen Einbau einer
MIDI-Schnittstelle umgangen, was diesen Rechnertyp lange Zeit zum führenden
Werkzeug von MIDI-Anwendern machte.) Veraltet erschien auch die Konzeption von
MIDI als serieller Schnittstelle, da im Computerbereich schon zu Beginn der
1980er Jahre vielfach parallele Schnittstellen Standard waren. Zumindest bei der
Vernetzung einer größeren Anzahl von Geräten und dem Anfallen größerer
Datenmengen kann die sukzessive Übertragung von Steuerbefehlen auch zu hörbaren
Ansprechverzögerungen führen. Vielfach für Unverständnis sorgte auch die
Wahl der im Computerbereich völlig unüblichen Übertragungsrate von 31,259
Kbit/sek.
Das Keyboard-Paradigma
Aufgrund der Marktdominanz von Keyboard-Synthesizern wurde MIDI vorwiegend
auf die Bedürfnisse von Tasteninstrumenten hin konzipiert. Dies führt jedoch zu
Komplikationen, wenn andere Controller eingesetzt werden sollen. Der Trennung von
Spielbewegungen zur Tonhöheneingabe durch das Betätigen einer Taste und zur
Klangformung z. B. durch Modulationsräder oder Joysticks, wie sie bei gängigen
Keyboards gang und gäbe sind, steht bei anderen Controllern eine ganzheitliche
Spielgestik gegenüber. So lassen sich z. B. die Anblasgeräusche von Breath-
oder Windcontrollern nur schwer in MIDI-Signalen erfassen. Gleiches gilt für
während des Spielens getätigte Klangmodulationen. Problematisch ist auch die
Begrenzung des Tonvorrats auf 128 chromatische Töne. Zwar wird annähernd der
gesamte musikalisch nutzbare Bereich abgedeckt; Zwischenstufen sind jedoch nicht
vorgesehen. Kontinuierliche Tonhöhenveränderungen oder Vibratotechniken, für viele
Saiten- oder Blasinstrumente oder beim Gesang gängiges Ausdrucksmittel,
lassen sich nur ungenügend mit Pitch-Bend-Effekt wiedergeben. Intonationen
jenseits der temperierten Stimmung werden von den meisten MIDI-Konvertern in
den temperierten Bereich gerückt (Wilkinson 2001; 1997, 77ff). (Um die durch
den MIDI-Standard bedingten Einschränkungen zu umgehen, wird z. B. der
Breath-Controller Akai EWI 3020 mit speziellen, nicht auf MIDI basierenden
Soundmodulen ausgeliefert, was dann jedoch den universellen Einsatz als Controller
einschränkt.)
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