Da alle der hier zugrunde liegenden Komponenten, also Mundstück/Oszillator, Rohr
und Schalltrichter allein auf digitaler Ebene existieren, ist es möglich, deren
›Beschaffenheit‹ und Funktionsweise jederzeit zu verändern oder auch einzelne
›Bauteile‹ hinzuzufügen bzw. zu entfernen. Auch können Instrumente konstruiert
werden, die allein auf virtueller Ebene realisierbar sind. Ruschkowski vergleicht
PM-Software mit »einer universellen Werkbank, auf der man sich Instrumente nach
seinen Wünschen ›zusammenbauen‹ kann.« Hierbei können »[b]eliebige Materialien [. . . ]
im Computer zusammengefügt, angeschlagen, angerissen, gezupft oder gestrichen
werden, um Schwingungen dieser virtuellen Körper und damit Schallschwingungen zu
erzeugen« (ebd., 334). Eine Stärke des Physical Modelling ist, dass auch die
gegenseitigen Beeinflussungen (Interferenzen) der einzelnen Komponenten berücksichtigt
werden können.
Modelling ist mittlerweile nicht nur bei der reinen Klangsynthese von Interesse,
sondern wird zunehmend auch bei der Simulation von Verstärkern und Effekten
eingesetzt. Aufnahmetools wie der von Line6 entwickelte Pod oder der Vamp
(= Virtual Amp) von Behringer simulieren das Klangverhalten einer Vielzahl
unterschiedlicher Verstärker- und Lautsprechertypen oder Effektgeräte auf der Basis
vorprogrammierter Algorithmen. Bei der Aufnahme werden diese Geräte via
USB-Schnittstelle direkt mit dem PC verbunden. Umständliches Mikrophonieren
entfällt.
Bezeichnend für die aktuelle Marktsituation im Bereich digitaler Klangsynthese ist die
Etablierung firmenspezifischer Syntheseformen, hinter denen sich allerdings oftmals
abgewandelte ›traditionelle‹ Verfahren verbergen. Deren Namensgebung bringt häufig
Assoziationen an ein »Technobabel« (Wilkinson 1997) mit sich: So entwickelte Roland
ein VariPhrase-Elastic-Audio-Processing, Novation tritt mit Analogue Sound Modelling
(AMS) und Casio gar mit Zygotech Polynominal Interpolation (ZPI) in Erscheinung.
Die Aufzählung könnte problemlos fortgesetzt werden. Es bleibt offen, wie sich gerade
Amateure in diesem Dschungel immer neuer Fachbegriffe und Bedienungsvarianten
zurechtfinden.
2.3.2. Sampling
Ähnlich anderen Formen digitaler Aufnahmetechnik ist das in Musikinstrumenten genutzte
Sampling eine Form der Klangspeicherung. Beim Bedienen eines Spielmechanismus oder
durch einen Computerbefehl werden vorab gespeicherte Klänge aufgerufen und hörbar
gemacht. Hierin gleichen Sampler ihren mechanischen Vorgängern wie Mellotron oder
Novatron, die auf Tastenabruf bespielte Tonbänder abspielen lassen (Vail 1993).
Der Transfer auf die digitale Ebene hilft, die durch die komplizierte Mechanik
dieser Instrumente oftmals auftretenden Probleme zu überwinden. Sampler sind
stimmstabil und leiden nicht unter den bei Tonbandtechnik vorkommenden
Verschleißerscheinungen. Darüber hinaus ermöglicht die digitale Technologie
authentischere Hüllkurvenverläufe und dynamisch-klangliche Abstufungen des
Instrumententons, z. B. durch zeitversetztes Ineinanderfließen unterschiedlicher
Klangschattierungen (Crossfading).
Lange Zeit war die Qualität vieler Sampler durch den immensen Speicherbedarf
eingeschränkt. Dieser erfordert Kompromisse. So wurden für bestimmte Tonumfänge
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