- 45 -Menzel, Karl H.: PC-Musiker 
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3.  Recording-Software

Als der MIDI-Standard im Jahr 1983 veröffentlicht wurde, waren die Mitte der 70er Jahre aufgetauchten, in erster Linie als Spielkonsolen konzipierten Mikrocomputer zu leistungsfähigen, aber auch für Privatanwender erschwinglichen Personal Computern weiterentwickelt worden (Wurster 2002). Es lag nahe, deren Rechenpotenzial und Fähigkeit zur grafischen Darstellung zur Steuerung digitaler Musikinstrumente zu nutzen. Schon 1984 hatten sich erste Anfänge einer Software-Industrie herausgebildet, aus der mit Steinberg, C-LAB (später Emagic), Opcode Systems, Mark of the Unicorn (Motu) und Cakewalk ein Teil der heute noch marktbestimmenden Firmen hervorging. Ein Betätigungsfeld der Softwareentwickler waren Soundeditoren und Library-Programme für die für viele Musiker schwer zu durchschauenden Digitalsynthesizer. Die eigentliche Innovation aber lag in der Konzeption softwarebasierter Sequenzer, mit denen auf der Basis von MIDI-Parametern komplexe Arrangements erstellt werden konnten (Lengeling 1985; Vollmuth/Müller 1988).

Die Nutzung des PCs zur Aufzeichnung und Synthese von Klang war hingegen erst mit den ab Anfang der 90er Jahre verfügbaren, nochmals leistungsstärkeren Rechnertypen möglich: Schnellere Prozessoren und wachsende Speicherkapazität erlaubten es nun, digitalisierte Audiosignale direkt auf die Festplatte des PCs einzuspielen (Harddiscrecording). Ergänzend wurde ein ganzes Arsenal spezieller Applikationen entwickelt, mit deren Hilfe die zum digitalen Code gewandelte Musik in vielfacher Weise nachträglich bearbeitet werden konnte. Nahezu zeitgleich entstanden erste allein für den PC-Gebrauch konzipierte Software-Synthesizer und -Sampler. Die Funktionen der heute erhältlichen, für die private Produktion von Musik relevanten MIDI- und Audio-Programme werden in diesem Kapitel beschrieben.

3.1.  Software-Sequenzer

Sequenzer sind elektronische Musikspeicher. Sie sind wie Mehrspurmaschinen angelegt und verfügen über voneinander unabhängig bespielbare und nachträglich ›editierbare‹ Spuren. Anders als Magnetbänder, CDs oder andere Tonträger speichern Sequenzer keinen Klang, sondern Informationen über musikalische Abläufe, die als Triggersignale an digitale Klangerzeuger weitergegeben werden. Neuere Software-Sequenzer sind zumeist als kombinierte MIDI/Harddiscrecording-Systeme konzipiert. Weiterhin werden aber auch reine MIDI-Sequenzer genutzt, was vor allem auf ihre leichtere Bedienbarkeit und ihren geringeren Anspruch an die Rechnerleistung zurückzuführen ist.1

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Ist die Verwendung von Sequenzern heute vorrangig in populären Stilrichtungen anzutreffen, entstammen die ersten Versuche mit sequenzer-ähnlichen Gerätschaften doch aus dem Bereich der experimentellen Elektronischen Musik: Der 1955 von der in Princeton, New Jersey ansässigen Radio Corporation of America (RCA) entwickelte Electronic Music Synthesizer enthielt ein auf Lochstreifenbasis arbeitendes Steuersystem, mittels dessen musikalische Parameter gesteuert wurden. Auf der Basis von Steuerspannungen arbeitende Sequenzer waren in die ersten von Donald Buchla (Series 100) und Robert Moog (Moog Modular System) entwickelten Synthesizer integriert. Sie dienten der Beeinflussung von Oszillatoren, Filtern und Hüllkurvengeneratoren (Ruschkowski 1998, 175ff; 200ff). Problematisch war die nur geringe Speicherkapazität analoger Technologie und ihr begrenztes Potential zur rhythmischen Variation. Verbreiteten Einsatz fanden spannungsgesteuerte, inzwischen zu separaten Geräten weiterentwickelte Sequenzer in der Disco-Musik der 1970er Jahre. Die in diesem Genre immer wieder zu hörenden, monotonen Bassläufe trugen aber mit zum oftmals negativen Bild dieser Technologie bei. Andererseits waren schon um 1972 erste digitale Sequenzer verfügbar, anfänglich als Teil eines hybriden Systems zur digitalen Steuerung analoger Synthesizer, später in volldigitalen Anwendungen. Durch den Einzug leistungsstarker Digitalbauteile waren Einschränkungen im Bereich der Speicherleistung und der Variationsbreite bald kein Thema mehr. Digitale Synthesizer steuern Parameter wie Tonhöhe und Tondauer, Soundeinstellungen, Dynamikverläufe, Klangmodulationen, systemexklusive Daten der angeschlossenen Klangerzeuger etc. Den wohl endgültigen Durchbruch erzielten Sequenzer durch den MIDI-Standard, der die Kompatibilität der meisten Geräte- und Instrumententypen sicherstellte. Die ersten Software-Sequenzer für Mac, PC und Atari wurden allein auf der Basis von Befehls- oder Zifferneingaben bedient. Als erste Software mit der heute gängigen grafischen Benutzeroberfläche (Grafic User Interface/GUI) erschien 1989 Steinbergs Cubase, der Nachfolger für Pro-24. GUI wurde alsbald zum Standard bei Sequenzer-Software. Schon im Folgejahr kamen die ebenfalls mit grafischer Oberfläche ausgestatteten Programme Notator Logic (C-LAB/später Emagic) und Cakewalk auf den Markt.

Der überwiegende Anteil der heute angebotenen Sequenzer existiert in der Form von Softwarepaketen, die auf handelsüblichen Computern betrieben werden. Hardware-Sequenzer sind vereinzelt noch im Live-Betrieb zu finden. Sie galten lange Zeit für den Bühneneinsatz als stabiler und einfacher zu handhaben, werden aber hier auch zunehmend durch Laptops ersetzt.


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