- 105 -Müßgens, Bernhard: Musik und Angst 
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für Schönbergs Moses und Aron. Beide Opern bezeichnen "letzte Positionen" der Auswirkungen des Wagnerschen Musikdramas (B. A. Zimmermann, "Zukunft der Oper" 38).

     Zimmermann erinnert an die Bestrebungen zur Erneuerung der griechischen Tragödie beim Übergang vom 16. zum 17. Jahrhundert. Sie bilden den Ausgangspunkt der abendländischen Operngeschichte. Die griechische Tragödie umfaßt ursprünglich "Architektur, Dichtung, Musik, Tanz und Gebärde" und ist zugleich "religiösen Ursprungs und religiöser Natur" (Zimmermann 39). Sollte die griechische Antike aus dem Geist der Musik des beginnenden 17. Jahrhunderts wiederbelebt werden, so entfernt sich die Oper allzu rasch von ihrem Ausgangspunkt. Die Einbeziehung mythologischer Stoffe ermöglicht Wagner im 19. Jahrhundert, sich von der Oper seiner Zeit zu entfernen und an den Ausgangspunkt zurückzukehren. Auf dem Umweg über die Mythologie bemächtigt sich Wagner des Religiösen. Die Schicksale seiner Helden entsprechen den Götter- und Heldenschicksalen der griechischen Antike. Wagners Forderung nach einem eigenen Festspielhaus ist für Zimmermann mehr denn bloße Attitüde des Meisters von Bayreuth. Seine Konzeption von "Theater als umfassender Institution" läßt Zimmermann an "Oper als totales Theater" denken:


... an ein Theater, unter dem ich die Konzentration aller theatralischen Mittel an einer eigens dafür geschaffenen Stätte verstehe. Mit anderen Worten: Architektur, Skulptur, Malerei, Musiktheater, Sprechtheater, Ballett, Film, Mikrophon, Fernsehen, Band- und Tontechnik, elektronische Musik, konkrete Musik, Zirkus, Musical, und alle Formen des Bewegungstheaters treten zum Phänomen der pluralistischen Oper zusammen.

(B. A. Zimmermann, "Zukunft der Oper" 41)


Mit der Oper Die Soldaten geht Zimmermann entscheidende Schritte in diese Richtung. In den Dienst der pluralistischen Form des Musiktheaters stellt er "Sprechen, Singen, Schreien, Flüstern, Jazz, Gregorianik, Tanz, Film, technisches Theater" (B. A. Zimmermann, "Zukunft der Oper" 42). Für die zukünftige Oper fordert er eine Ausbildungsstätte, die neben den reinen Gesangsexperten Ausführende hervorbringt, welche sowohl tanzen als auch akrobatische Bewegungen aller Art ausführen können. Jedes Hauptfach soll mit jedem anderen kombinierbar sein. Als Beispiele für die Anwendung der Bewegungsakrobatik nennt Zimmermann die Commedia dell' arte, die Chinesische Oper, das Meyerhold-Theater sowie seine Oper Die Soldaten nach Jakob Michael Reinhold Lenz (B. A. Zimmermann, "Zukunft der Oper" 43).

     Keine geringeren Anforderungen als an die Ausführenden stellt die Oper an die Architektur. Sie verlangt den omnimobilen architektonischen Raum:


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