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2.   Furcht und Fanfare


2.1 Das Beispiel Jerichos


Über das Alte Testament hinaus ist die Geschichte von der Eroberung der Stadt Jericho im sechsten Kapitel des Buches Josua von bewegender Kraft und besonderer Bedeutung. Sie zeigt, wie eine biblische Erzählung mit schriftstellerischer Kreativität stets fortgeschrieben und über Jahrhunderte immer neu interpretiert wird. Als Ergebnis einer besonders wechselvollen Entstehungsgeschichte berichtet sie von der siebentägigen Umgehung der Stadtmauern Jerichos und von ihrem Einsturz infolge der am siebten Tage auf Widderhörnern geblasenen Signale und des Geschreis der Israeliter.

     Aus literarkritischer Sicht gehört sie zweifellos zu den problematischsten Erzählungen des Alten Testaments. In erheblichem Maße weichen daher auch die Ergebnisse ihrer Interpretation und Analyse voneinander ab. Den Deutungen der verschiedenen Forschungsrichtungen ist die Hypothese gemeinsam, daß die einzelnen Teile des sechsten Kapitels auf unterschiedliche Texte zurückgehen, die als ursprünglich selbständige Berichte von einem Schriftsteller verbunden und bereits in frühster Zeit harmonisiert wurden. Aus verschiedenen Händen folgen weitere Veränderungen. Ihre Geschichte zu rekonstruieren ist das Thema der Exegetischen Untersuchungen, die Ludger Schwienhorst 1986 vorlegt (Die Eroberung Jerichos).

     Die Kapitel 2-9 des Buches Josua gehen auf "ätiologische Sagen" zurück. Sie sollen Tatbestände der Gegenwart aus der Vergangenheit begründen und erklären. Als historisches Faktum betrachtet Schwienhorst nicht die Erzählung, sondern den von ihr erklärten Tatbestand. Den Heiligen Schriftstellern geht es darum, die Zerstörung des Stadthügels von Jericho zu deuten. Zum andern soll durch die Erzählung die Duldung der Sippe Rahab von Jericho im israelitischen Land gerechtfertigt werden. In dem an der Ostgrenze der Flur von Jericho gelegenen zentralen israelitischen Heiligtum von Gilgal werden diese Erzählungen zu einem Sagenkreis zusammengefaßt, der in die elohistische wie in die deuteronomistische Tradition eingeht und mit priesterlichen Zusätzen versehen die Grundlage des heute vorliegenden Textes bildet.

     Um 900 v. Chr. verbindet ein jüdischer "Sammler" (Deuteronomist) diese Sagen mit den Kapiteln 10 und 11 des Buches Josua, die von der Eroberung des Südens und des Nordens handeln, zu einer einheitlichen Eroberungsgeschichte des Westjordanlandes.


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