intentionale
Gegenstände, aber auf alle Fälle »Wahrheiten« bzw. Werke und Werte
an sich
erschließbar.
2.11. Die Stimme als Maß des Menschen
»Tief ist der Brunnen der Vergangenheit. Sollte man ihn nicht
unergründlich nennen? Dies nämlich dann sogar und vielleicht
eben dann, wenn nur und allein das Menschenwesen es ist, dessen
Vergangenheit in Rede und Antwort steht: dies Rätselwesen, das
unser eigenes natürlich-lusthaftes und übernatürlich-elendes Dasein
in sich schließt und dessen Geheimnis sehr begreiflicherweise das
A und O all unseres Redens und Fragens bildet, allem Reden
Bedrängtheit und Feuer, allem Fragen seine Inständigkeit, verleiht.
Da denn nun gerade geschieht es, daß, je tiefer man schürft, je
weiter hinab in die Unterwelt des Vergangenen man dringt und
tastet, die Anfangsgründe des Menschlichen, seiner Geschichte,
seiner Gesittung, sich als gänzlich unerlotbar erweisen und vor
unserem Senkblei, zu welcher abenteuerlichen Zeitenlänge wir seine
Schnur auch abspulen, immer wieder und weiter ins Bodenlose
zurückweichen«
(Thomas Mann10 2000: 11).
Die vorangegangenen Ausführungen zum Werk und die Art und Weise, wie dies
kommuniziert wurde und in Teilen der Musikwissenschaft noch wird, haben deutlich
machen wollen, dass Werke nur im Horizont eines zwar unterstellten, wiewohl
unzugänglich bleibenden präsenten Kerns zu haben sind. Hier setzt auch die Kritik an,
die Differenztheoretiker wie Derrida oder Luhmann bspw. auch der zuvor behandelten
Phänomenologie angedeihen lassen. Derrida bezieht sich auf das husserlsche Begriffspaar
von »Anzeichen« und »Ausdruck«, wobei die Anzeichen auf stets verfälschende
signifikante »reale« Entäußerungen verweisen und Ausdruck schlechthin mit
»Bedeutung« gleichgesetzt wird. Wie kommt es zu dem Glauben an die Präsenz zu
erschließender Wahrheit? Und inwiefern ist eine solche Wahrheitsunterstellung begründet
oder nicht? Diese beiden Fragen leiten die folgenden Ausführungen und gehen
Hand in Hand mit der Werkannahme, die für sich Wert beansprucht. Wahre
Bedeutung gibt es nur im »Ausdruck« und so in der an sich selbst gerichteten,
innerlichen monologischen Rede. »Hier wollen wir festhalten, was Husserl unter
›Ausdruck‹ versteht: das Sich-Entäußern eines Aktes und sodann eines Sinns, der
nur im Medium der Stimme, und zwar der ›phänomenologischen‹ Stimme, bei
sich selbst zu bleiben mag« (Derrida, zitiert nach Lagemann/Gloy 1998: 72).
Phänomenologische Stimme soll dabei heißen, es ist kein reales Stimmereignis,
sondern eine innere Stimme, die spricht. Das signifikante Lautereignis in der Welt
verfälscht, verunreinigt schon die reine Wahrheit. »Die reine Ausdrücklichkeit
wird die reine aktive Intention (Geist, Psyche, Leben, Wille) eines Bedeutens
sein, das eine Rede beseelt, deren Inhalt (Bedeutung) gegenwärtig sein wird.
Gegenwärtig nicht in der Natur, [. . . ], sondern im Bewußtsein. Also gegenwärtig
für eine ›innere‹ Anschauung oder für eine ›innere‹ Wahrnehmung« (Derrida
2003: 56). An dieser Stelle ist der Mensch noch bei sich, mit sich im Reinen,
losgelöst von aller verfälschenden Kultur, so scheint es. Das Maß des Menschen ist
allerdings im Vorfeld als im vom Menschen gemachten Raum der Kultur und so als
»künstlich« bestimmt worden. Wo man aber unbenommen unseres kulturellen
Seins das Maß des Menschen noch