Bezeichnungen werden jedoch nicht einheitlich verwendet.
Während Andrea Halpern (1988a; 1992), Alan Baddeley (1992) und Helga de la
Motte-Haber (2002) diese eher im Sinne eines »mentalen Scannens« auffassen, hat inneres
Singen bei anderen Autoren eine deutlich motorische Komponente. In vielen auf
Introspektion, Beobachtung und Befragung beruhenden Aussagen von Wissenschaftlern und
Untersuchungsteilnehmern wird das Auftreten motorischer Prozesse im Stimmapparat
bei Vorstellungen mit musikalischem Inhalt beschrieben (z. B. Lotze 1852; Müller
1879; Stumpf 1883; Strikker 1885; Courtier 1897; Whipple 1903; Pear 1911; Weld
1912; Kovacs 1916; Agnew 1922; Baerwald 1916; Mainwaring 1933; Ephrussi 1939;
Blagonadezhina 1940; Sechenow 1965; Behne 1988; Frank 1989; Rötter 1997, Kreutz
2005).
Zum Teil wurde hier inneres Singen eher als willkürliches oder unwillkürliches tatsächliches Singen ohne Lautäußerung verstanden, wobei keine Einigkeit herrschte, ob manche musikalische Vorstellungen nicht auch ohne motorische Beteiligung des Stimmapparates möglich wären. Vor allem Musiker versicherten in mehreren Studien, dass ihre musikalischen Klangvorstellungen rein auditiv seien und dass sie dabei keine verdeckten Singaktivitäten bei sich feststellen könnten (vgl. Stricker 1885; Courtier 1897; Agnew 1922). Auch das Arbeitsgedächtnismodell von Alan Baddeley geht von der Existenz einer inneren Stimme und eines inneren Ohres aus, die bei der Kurzzeitspeicherung von (u. a. musikalischen) Informationen miteinander »kommunizieren«. In früheren Veröffentlichungen (z. B. 1979) hatte er diesen Prozess noch als artikulatorische Wiederholungsschleife bezeichnet, was auf einen Einsatz des Stimmapparates hindeutet aber nicht zwangsläufig voraussetzt. Später (z. B. 1990; 1992) befürwortete er jedoch die Bezeichnung phonologische Schleife, die eher auf eine auditive Repräsentation der Information verweist – ein fundamentaler Theoriewechsel. Es scheint zumindest eine enge Beziehung zwischen Stimme und Klangvorstellung zu bestehen. So müssen Sänger, die einen bestimmten Ton singen wollen, ihre Kehlkopfmuskulatur vorab sehr genau einstellen, um exakt einen zuvor vorgestellten Ton zu treffen. Viele Menschen können sich z. B. beim Vorstellen vertrauter Melodien nur schwer zurückhalten, diese auch zu singen. In einer Wolfgang Amadeus Mozart zugeordneten Beschreibung des Entstehungsprozesses seiner Kompositionen findet sich die Aussage:4 Die [musikalischen Gedanken, die] mir nun gefallen, die behalte ich im Kopfe, und summe sie wol [sic] auch vor mich hin, wie mir Andere wenigstens gesagt haben (vgl. Bauer & Deutsch 1963, Band IV, S. 529f).
Dem Pianisten Glenn Gould schien es sogar unmöglich bei seinem Klavierspiel ein Mitsummen bzw. »Gurren« zu unterdrücken, was auf seinen Platteneinspielungen deutlich zu vernehmen ist. Ähnliches lässt sich an Musikhochschulen in Gehörbildungsprüfungen beobachten, in denen die Prüflinge z. B. bei einem Notendiktat oder der Bestimmung einer Intervallqualität Lautäußerungen nicht oder nur mühsam unterlassen zu können scheinen. In diesem Zusammenhang äußerte Klaus-Ernst Behne (1988) die Vermutung: |