- 43 -Schmidt, Patrick L.: Interne Repräsentation musikalischer Strukturen 
  Erste Seite (i) Vorherige Seite (42)Nächste Seite (44) Letzte Seite (202)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

4.  Artikulatorisch-phonatorische Interferenzstudien

4.1.  Begriffsklärung

Unter artikulatorisch-phonatorischer Interferenz wird im Rahmen dieser Arbeit – wie in der Einleitung bereits erwähnt – der Versuch einer Blockierung oder sogar Ausschaltung der Funktion der Stimm- und Lautbildung im Stimmapparat verstanden. Dies soll dazu dienen, zu prüfen, ob sich kognitive Fähigkeiten gegenüber einer Bedingung ohne eine derartige Interferenz verschlechtern. Im Falle einer negativen Auswirkung der Interferenz liegt es nahe, daraus zu schließen, dass es sich bei den motorischen Prozessen nicht nur um ein Epiphänomen der Kognition handelt.

Diese Hypothese wurde u. a. auch in zahlreichen musikbezogenen Studien mit Hilfe von Doppelaufgaben überprüft:

4.2.  Musikbezogene Interferenzstudien

Bereits im Jahre 1883 verwickelte der Psychologe Carl Stumpf seine Versuchspersonen in seinen Untersuchungen zum absoluten Gehör in Gespräche zwischen den Darbietungen einzelner Töne. Dadurch sollte verhindert werden, dass Töne mit Hilfe des relativen Gehörs oder – wie man es früher auch nannte – des »Intervall-Sinns« miteinander verglichen und dadurch identifiziert werden. Otto Abraham schrieb 1901:

Wenn man aber den Intervall-Sinn ganz ausschalten will, dann lasse man der Versuchsperson größere Pausen zwischen den einzelnen Tönen, fülle die Pausen durch Gespräche aus, oder moduliere in ungewohnter Weise auf dem Klavier, so daß die Versuchsperson mittels Intervall-Sinns nicht zu folgen vermag (Abraham 1901, S. 6).

Demzufolge werden bei Relativhörern auch durch artikulatorische Interferenz in Form eines Gespräches Spuren von eventuell im Gedächtnis behaltenen Tönen verwischt. Unklar ist hier allerdings, ob das Vergessen des Referenztons aufgrund der beim Gespräch entstehenden Geräusche oder aufgrund der veränderten muskulären Aktivität im Stimmapparat beim Sprechen zustande kommt.

James Mainwaring (1933) ließ in einem Einzelversuch eine ausgebildete Sängerin zwei hinsichtlich Rhythmus, Taktart und Anzahl der Töne vergleichbare akustisch präsentierte Melodien auf zwei Arten erlernen: Eine Melodie sollte nur nach Gehör, unter ausdrücklicher Vermeidung des inneren Singens angeeignet werden. Die zweite Melodie wurde singend eingeübt. Die Versuchsperson konnte die nach Gehör erlernte Melodie auch nach der siebten Präsentation nur fragmentarisch wiedergeben. Unter zu Hilfenahme der Singstimme wurde die zweite Melodie dagegen bereits nach der dritten Darbietung fehlerfrei wiederholt und konnte auch am nächsten Tag wiedergegeben werden. Der Versuch hat zwar keinen wissenschaftlichen Wert, seine


Erste Seite (i) Vorherige Seite (42)Nächste Seite (44) Letzte Seite (202)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 43 -Schmidt, Patrick L.: Interne Repräsentation musikalischer Strukturen