- 185 -Sonntag, Brunhilde (Hrsg.): Adorno in seinen musikalischen Schriften 
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resignieren oder trotzdem alles das tun, was wir mit Adorno für notwendig erachten? Die Situation an den Schulen aller Typen und Stufen ist für den Musikunterricht nicht immer schön; der Lehrer hängt immer auch davon ab, welche Schüler er zufällig hat und welchen guten Willen sie mitbringen oder nicht: Vielleicht dürfte in Zukunft eine verstärkte Zusammenarbeit mit den Musikschulen förderlich sein.


Ich meine, alles was wir im Musikunterricht (gleich welchen Schultyps) tun, sollte nur so geschehen, daß wir trotz aller oft ärgerlichen Reduzierung große Ziele nicht aus den Augen verlieren. Adornos Gedanken könnten dabei als Katalysator wirken. Der Lehrer könnte seine eigentliche Anstrengung darin sehen, den Weg zu solchen Zielen (und warum nicht zu solchen, die Adorno meinte?) offenzuhalten.


Das gilt auch für die Arbeit des Musikdozenten an Hochschulen und Universitäten. Dieser sollte nicht nachlassen im Bemühen um professionelles Niveau seiner Studenten. Denn der zukünftige Musiklehrer muß Musikexperte sein, sonst sollte er von diesem Beruf lassen. Der Status eines Musik-Animateurs reicht bei weitem nicht aus; eine Art Mediterranée-Club in den Schulen aufzumachen, das wäre wohl das Letzte an Musikunterricht. Dann sollte dieser wohl besser aus den allgemeinbildenden Schulen verschwinden.


D.: Anfang der 50er Jahre kam eine Generation, die noch im Kriege aufgewachsen war, an die Pädagogischen Hochschulen und wurde vollgestopft mit Lied, Liedbegleitung, Liedvorspiel, Liedkantate. Wenn man einen intelligenten Professor hatte, dann lernte man auch noch etwas über die "übrige" Musik, wobei der Professor z.B. in Sachen Neue Musik auch noch seinen eigenen Nachholbedarf hatte. Zudem gab es noch eine pädagogische Bibel, ein zumindest in Niedersachsen so etwas wie halbamtliches Buch: Otto Haases "Musisches Leben". Wir standen ein bißchen fassungslos vor diesem Buch. Das wird jeder verstehen, der heute einmal in dieses Buch hineinschaut und liest, was wir damals wie musischen Schwachsinn empfinden mußten. Aber das war eben eines der wenigen Bücher, die eine Pädagogische Hochschule damals im Bereich Musik neben ein paar Liederbüchern hatte.


Ich meine, daß (mit oder ohne Adorno) diese Generation, also wir, dieses "musische Tun" (denn die Zeiten hatten sich wahrlich geändert) nicht länger ertragen hätten und unseren "Meistern" auf die Dauer nicht mehr gefolgt wären.


Eine hübsche Anekdote nebenbei: Ich war bei dem Gespräch zwischen Adorno und Warner als Student in der Evangelischen Akademie im Kloster Loccum dabei. Damals war ich Student an der Berliner Musikhochschule und mußte mir vom Direktor Urlaub erbitten. Boris Blacher sagte zu meiner Bitte: "Ach so, nach Loccum wollen Sie! Ach, ach, Adorno, das ist ein böser Mann"!


Gieseler: Ich ging nach dem Studium von Musik und Musikwissenschaft im Jahre 1949 als Referendar in die Schule und fand alles Falala insgesamt muffig; ich wollte Musik machen, wie ich sie verstand, und wollte wie meine Studiengenossen raus aus der ideologischen Lied-Enge. Die Zeit war überhaupt reif dazu: Musikpädagogik war auf dem Wege (in kleinsten Zirkeln beginnend


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