- 34 -Sonntag, Brunhilde (Hrsg.): Adorno in seinen musikalischen Schriften 
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Denn wie beim verdinglichten Tauschwert eines Diamanten der Fall, sehen sich die Menschen auch in der Illusionswelt der Reklame mit Vorstellungen bzw. Bildern konfrontiert, die den Schein des Naturgegebenen haben, und zwar deshalb, weil in ihnen (aus Gründen der Wirksamkeit und der Verschleierung von Interessengegensätzen) alle Spuren ihrer wirklichen Entstehung im historisch-gesellschaftlichen Produktionsprozeß getilgt sind. Und sofern in Wagners Phantasmagorien eine fiktive geschichtslose Natur des Menschen waltet, haben sie, nach Adorno, Teil an dem Versuch der Reklame, die Verkaufsträchtigkeit einer Ware durch der geschichtlichen Wirklichkeit enthobene Trugbilder zu erhöhen. Eine Kritik an Adornos Phantasmagorie-Deutung hätte an der Kurzschlüssigkeit seiner Gleichsetzung anzusetzen.


D: Aber wie steht es mit dem Warencharakter? Für mich ist Musik nicht deshalb Ware, weil sie kommerzialisiert, also verkauft werden kann, sondern die Kommerzialisierung funktioniert bereits, weil Musik Ware ist; auch wenn sie mehr ist als ein Gebrauchswert, also auch als autonome Musik.


Feurich: Man muß, wenn man von musikalischer Ware spricht, einen Unterschied machen zwischen einer Warenfunktion, die ein Produkt nur vorübergehend begleitet, ihm im Idealfall also äußerlich bleibt, und einer Warenfunktion, die sich der Ware etwa in Form illusionärer Gebrauchswertversprechen unauslöschbar einprägt. Gegenstand der musikalischen Warenkritik bzw. der Warenanalyse sind bei Adorno nicht grundsätzlich alle Musikstücke, obwohl Musik aller Art in Form von Noten oder Schallplatten über den Verkaufstisch wandert. Der eigentliche Gegenstand der Warenanalyse sind bei Adorno vielmehr nur solche Musikstücke, die einen phantasmagoriehaften, illusionsträchtigen Gebrauchswert versprechen.


Was Wagner betrifft, so bin ich sehr im Zweifel, ob man ihm so ohne weiteres die Kritik der Phantasmagorie der Ware überstülpen kann. Zumindest konnte Dahlhaus zeigen, daß alle wesentlichen operndramatischen Momente bei Wagner, und selbst der Zug zum Mythischen, sich durchaus stimmig zusammenfügen und damit aus ihrer wechselseitigen Bedingtheit heraus erklärt werden können. Andererseits hat Adorno es nicht geleistet, den Zusammenhang von Ware und Musik bei Wagner wirklich detailliert und nachvollziehbar aufzuzeigen.


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