Vom Musikkonsumenten zum Musikhörer

Alice Herdan-Zuckmayer berichtet in ihrem Erinnerungsbuch "Die Farm in den grünen Bergen" 1 von Hilfsbuben - Dreizehn- bis Achtzehnjährigen -, die sich auf den amerikanischen Farmen einfinden, morgens die Schule besuchen und dann bei der Arbeit helfen. Sie bleiben, solange es ihnen gefällt, und ziehen wieder ab, wenn es sie weiter treibt. Einer von ihnen war in seinem literarischen und musikalischen Hunger unersättlich. Zur Musik heißt es:

In diesen letzten Monaten wurde nicht viel mehr gefragt und geredet, weil er Tag und Nacht Grammophon spielte und sein gesamtes restliches Geld vor dem Einrücken in Beethoven-, Mozart-, Brahms- und Tschaikowskij-Platten angelegt hatte.

'Für Anzüge und Hemden hat es keinen Sinn mehr Geld auszugeben', erklärte er mir, 'wo ich doch in die Uniform muß. Aber das ist was für die Zukunft, und Platten sind da, wenn ich wieder nach Hause komme.' Und mit diesen Worten legte er zum 150. Male die 'Kleine Nachtmusik' auf und streckte sich wohlig in Zucks Ohrensessel, der im Wohnzimmer in der Nähe des Radiogrammophons stand. 'Eine schöne Musik!' sagte er. 'Mir gefällt das ...'

So erfreulich dieser Musikhunger und so symptomatisch er auch für viele junge Leute bei uns ist, so bleibt doch dieser stürmische Verbrauch ein Zeichen dafür, daß die Musik nicht verarbeitet wird. Der Heißhunger bleibt ungestillt. Er ist nicht nur eine Wachstumserscheinung, sondern eine Unfähigkeit das seelisch-geistige Futter zu verwerten. Das Angebot lockt zum Massenkonsum und pendelt wahllos zwischen Presley und "I like Ludwig" (Beethoven!). Die Klangtapete des Radio, auch musikalische Berieselungsanlage genannt, hat Musik weitgehend entwertet, ihren Erlebnisgehalt verwischt, übrig bleibt Musik als Stimulans. Die seelischen Felder, die wertvoller Musik bedürfen, trocknen zumeist aus, da die Berieselungsanlagen, ehe sie noch


----------