Daran ist bezüglich der Wahrnehmung problematisch, daß die Töne
des längeren Motivs, die zum nicht betrachteten Teilmotiv gehören,
nicht berücksichtigt werden. Gerade der Kontext, in dem eine motivische
Beziehung besteht, hat erheblichen Einfluß darauf, ob eine Beziehung erkannt
wird.27
Ein weiteres Problem ist die Beschränkung auf den Vergleich mit dem vollständigen
kleineren Motiv. In einer Situation wie in Abbildung 6.2, kann Interpretation (a), in der
ein Ton eingefügt und ein anderer entfernt wird, eine sinnvolle Alternative zu
Interpretation (b) sein, die Note für Note zuordnet. Interpretation (a) wird aber bei der
Ermittlung des Gestaltabstands nicht berücksichtigt.
6.4. Modelle motivischer Analyse
6.4.1. Motiv-TopologienIn der Mathematischen Musiktheorie werden zur Beschreibung der motivischen Struktur eines Musikstücks Motiv-Topologien verwendet.28 Motiv-Topologien basieren auf dem Gestaltabstand und der Inklusionsbeziehung von Motiven und den durch sie definierten -Umgebungen. Zu einem Motiv M werden die -Umgebungen dadurch gebildet, daß man die Menge U aller Motive betrachtet, die ein Teilmotiv N* N mit einem Abstand von höchstens enthalten.
Die mathematischen Eigenschaften motivischer Topologien sind Gegenstand aktueller Forschung und sollen hier nicht weiter diskutiert werden.29 Eine quantitative Auswertung der topologischen Struktur erfolgt über die Inhalts- und Präsenz-Funktionen, die die Anzahl aller Motive, die die -Umgebung eines Motivs enthält bzw. in deren -Umgebung es enthalten ist, bewerten. Für einen Ton wird die Summe der Inhalts- und Präsenz-Werte aller Motive, die diesen Ton enthalten, als motivisches Gewicht dieses Tons definiert, die sog. Mazzola-Gewichte. Das Ergebnis dieser Analyse kann verwendet werden, um strukturell bedeutsame Motive zu finden oder um aus den Gewichten automatische Ausführungen |