- 16 -Weyde, Tillman: Lern- und wissensbasierte Analyse von Rhythmen 
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Sowohl für Rameau als auch für Riemann war die Introspektion ein Mittel, Alternativen zu etablierten Systemen zu finden, statt diese einfach zu übernehmen. Allerdings ist diese Methode aus heutiger Sicht wissenschaftlich nicht befriedigend, denn zur Untermauerung der Hypothesen wird vor allem an die Intuition des Lesers appelliert in der Hoffnung, daß sie die Hypothesen des Autors bestätigt.

Die Methode der Introspektion, die in der Musikwissenschaft und Musiktheorie nach wie vor weit verbreitet ist, hat sich für den Bereich der Rhythmik vermutlich deshalb besonders lange erhalten, weil die rhythmische Ausführung von Musik im Gegensatz zur Produktion von Tonhöhen nicht frühzeitig durch verbreitete mechanische Instrumente realisiert wurde. Pythagoras’ Untersuchungen zu Tonhöhen basierten auf der schwingenden Saite,23

und die Entwicklung moderner Stimmungssysteme wurde erst durch die Entwicklung von Tasteninstrumenten mit fixierter Tonhöhe zum vordringlichen Problem. Die Notwendigkeit einer vergleichbaren Weiterentwicklung rhythmischer Theorien mit Echtzeit-Werten hat sich erst in den letzten zwanzig Jahren mit dem Einzug von Computern in die Musikproduktion und Musikanalyse ergeben. Erst jetzt können und sollen diese rhythmischen Werte in MIDI- oder Audio-Daten präzise maschinell verarbeitet und manipuliert werden.24 Um diese Verarbeitung musikalisch sinnvoll durchzuführen, ist eine geeignete Theorie nötig. Während Menschen durch Unterricht und Erfahrung lernen, Musik zu gliedern und Strukturen zu erkennen, muß für die maschinelle Umsetzung eine Theorie formuliert werden, zumindest so weit, daß maschinelles Lernen ermöglicht wird. Ein wesentliches Problem der Introspektion ist, daß viele Mechanismen der Wahrnehmung, die gerade bei Rhythmen eine Rolle spielen, dem Hörer, Spieler oder Komponisten nicht bewußt werden. Sie müssen aber in maschinellen Systemen berücksichtigt werden, um angemessene Ergebnisse zu erzielen.

Neuere Theorien wie etwa die von Cooper und Meyer oder Lerdahl und Jackendoffs Generative Theory of Tonal Music (GTTM) versuchen, Musik aus kognitiver Sicht zu beschreiben und beziehen sich dabei zum einen auf die theoretischen Konstrukte der Sprachwissenschaft, zum anderen auf musikpsychologische Untersuchungen. Sie orientieren sich aber nach wie vor meist am Notentext und stellen weder empirisch überprüfbare noch maschinell implementierbare Modelle zur Verfügung.

2.3.  Musiktheoretische Konzepte

Trotz der teilweise wissenschaftlich unbefriedigenden Grundlagen der traditionellen Musiktheorie bildet sie den Ausgangspunkt fast aller neueren Ansätze der Musikforschung, so auch in dieser Arbeit. Daher wird hier auf die relevanten Konzepte der Musiktheorie näher eingegangen und versucht, diese in dem hier gegebenen Rahmen


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