oder
Wissenschaftler helfen sollen, das musikalische Material zu strukturieren, geht es in der
Musikpsychologie vornehmlich um den statistisch Nachweis von Zusammenhängen
meßbarer akustischer und psychischer Erscheinungen. Durch empirische Untersuchungen
konnten Wirkgrößen und Grenzen der rhythmischen Wahrnehmung bestimmt werden,
allerdings ohne daß sich bisher ein vollständiges Bild der Eigenschaften rhythmischer
Wahrnehmung ergeben hätte.
Einen psychologischen Ansatz, die Eigenschaften rhythmischer Motive als musikalische
Sinneinheiten zu erfassen, stellt der Gestaltbegriff im Sinne der Definition Christian von
Ehrenfels’ dar.6
Er führt diesen Begriff am Beispiel der Melodie ein: Die Gestalt einer Melodie zeichnet
sich dadurch aus, daß sie bei einer Transposition erhalten bleibt. Das Prinzip der Gestalt
als Invariante gegenüber Transformationen läßt sich auch im Bereich der Rhythmik
anwenden. Es stellt sich die Frage, welche Transformationen hier relevant sind und
wie das Konzept der rhythmischen Gestalt nutzbar gemacht werden kann. Die
Gestaltaspekte von Musik theoretisch zu erfassen, hat sich bisher als schwierig erwiesen,
weil hier ein komplexes Zusammenwirken vieler Faktoren zu beachten ist. Einen
mathematischen Rahmen für die Behandlung von Motivbeziehungen, insbesondere für
Gestalten als Invarianten von Abbildungen bietet die Mathematische Musiktheorie,
deren Methode motivischer Analyse jedoch eine andere Zielsetzung verfolgt als diese
Arbeit.
7
Mit der Entwicklung kognitiver Modelle für Musik wurden auch
rhythmische Strukturen und ihre Verarbeitung untersucht. Kognitive
Modelle, wie z.B. Lerdahl und Jackendoffs »Generative Theory of Tonal
Music«8
,
versuchen als Modell der Repräsentation und Verarbeitung musikalischer Strukturen,
musiktheoretische und musikpsychologische Ansätze zu integrieren. Es gibt bisher jedoch
noch kein kognitives Modell, das empirische und musiktheoretische Erkenntnisse
lückenlos zusammenfügt. Daher besteht die Schwierigkeit bei der Analyse von
Rhythmen darin, einen theoretischen Ansatz zu entwickeln, der praktisch anwendbar
ist und vorhandene musiktheoretische und musikpsychologische Erkenntnisse
berücksichtigt.
1.2. Computerbasierte Musikanalyse
Es ist legitim zu fragen, warum dieser Bereich mit dem Computer modelliert
werden sollte, wenn doch offenbar wesentliche theoretische Grundlagen fehlen.
Die computergestützte Modellierung kann und soll aber gerade zum besseren
Verständnis musiktheoretischer Grundlagen beitragen. Uwe Seifert formuliert dies
so:
»Die bisherige musiktheoretische Forschung leidet unter unzureichenden Begriffsbildungen.
Musiktheorie muß im Zusammenhang mit formaler Begriffsbildung entwickelt
werden, die jedoch der psychologischen Stützung bedarf. [...] Grundlegender
Bestandteil zeitgenössischer musiktheoretischer Forschung in Verbindung mit
Theorie und Experiment ist die Computersimulation.«9