- 3 -Weyde, Tillman: Lern- und wissensbasierte Analyse von Rhythmen 
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oder Wissenschaftler helfen sollen, das musikalische Material zu strukturieren, geht es in der Musikpsychologie vornehmlich um den statistisch Nachweis von Zusammenhängen meßbarer akustischer und psychischer Erscheinungen. Durch empirische Untersuchungen konnten Wirkgrößen und Grenzen der rhythmischen Wahrnehmung bestimmt werden, allerdings ohne daß sich bisher ein vollständiges Bild der Eigenschaften rhythmischer Wahrnehmung ergeben hätte.

Einen psychologischen Ansatz, die Eigenschaften rhythmischer Motive als musikalische Sinneinheiten zu erfassen, stellt der Gestaltbegriff im Sinne der Definition Christian von Ehrenfels’ dar.6

Er führt diesen Begriff am Beispiel der Melodie ein: Die Gestalt einer Melodie zeichnet sich dadurch aus, daß sie bei einer Transposition erhalten bleibt. Das Prinzip der Gestalt als Invariante gegenüber Transformationen läßt sich auch im Bereich der Rhythmik anwenden. Es stellt sich die Frage, welche Transformationen hier relevant sind und wie das Konzept der rhythmischen Gestalt nutzbar gemacht werden kann. Die Gestaltaspekte von Musik theoretisch zu erfassen, hat sich bisher als schwierig erwiesen, weil hier ein komplexes Zusammenwirken vieler Faktoren zu beachten ist. Einen mathematischen Rahmen für die Behandlung von Motivbeziehungen, insbesondere für Gestalten als Invarianten von Abbildungen bietet die Mathematische Musiktheorie, deren Methode motivischer Analyse jedoch eine andere Zielsetzung verfolgt als diese Arbeit.7

Mit der Entwicklung kognitiver Modelle für Musik wurden auch rhythmische Strukturen und ihre Verarbeitung untersucht. Kognitive Modelle, wie z.B. Lerdahl und Jackendoffs »Generative Theory of Tonal Music«8

, versuchen als Modell der Repräsentation und Verarbeitung musikalischer Strukturen, musiktheoretische und musikpsychologische Ansätze zu integrieren. Es gibt bisher jedoch noch kein kognitives Modell, das empirische und musiktheoretische Erkenntnisse lückenlos zusammenfügt. Daher besteht die Schwierigkeit bei der Analyse von Rhythmen darin, einen theoretischen Ansatz zu entwickeln, der praktisch anwendbar ist und vorhandene musiktheoretische und musikpsychologische Erkenntnisse berücksichtigt.

1.2.  Computerbasierte Musikanalyse

Es ist legitim zu fragen, warum dieser Bereich mit dem Computer modelliert werden sollte, wenn doch offenbar wesentliche theoretische Grundlagen fehlen. Die computergestützte Modellierung kann und soll aber gerade zum besseren Verständnis musiktheoretischer Grundlagen beitragen. Uwe Seifert formuliert dies so:

»Die bisherige musiktheoretische Forschung leidet unter unzureichenden Begriffsbildungen. Musiktheorie muß im Zusammenhang mit formaler Begriffsbildung entwickelt werden, die jedoch der psychologischen Stützung bedarf. [...] Grundlegender Bestandteil zeitgenössischer musiktheoretischer Forschung in Verbindung mit Theorie und Experiment ist die Computersimulation.«9

9 Seifert (1996, S. 123).


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