- 39 -Weyde, Tillman: Lern- und wissensbasierte Analyse von Rhythmen 
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3.2.  Integration und Segregation von Ereignissen

Die Extraktion von Ereignissen aus dem Strom der akustischen Daten, der uns ständig umgibt, ist der erste Schritt der Informationsreduktion. Sie ist Voraussetzung für die Verarbeitung und Interpretation von Rhythmen und damit auch von Melodien. Die Erkennung diskreter Ereignisse, wie Noten oder Phoneme, ist Voraussetzung für die Strukturierung in bedeutungstragende größere Einheiten wie musikalische Motive und Phrasen bzw. Wörter und Sätze. Der Effekt einer Einteilung von Signalen tritt auch in anderen Modalitäten als der auditiven auf, so etwa bei der Erkennung optischer Signalfolgen.13

Würden wir in den Klängen, die ständig unsere Wahrnehmung erreichen, nicht akustische Ereignisse identifizieren, wäre Musik ohne Noten und Sprache ohne Wörter, Silben und Buchstaben. Es gäbe nur einen permanenten Signalstrom, den wir weder speichern noch verarbeiten könnten. Die Zerlegung in diskrete Ereignisse ist eine aktive Leistung der Wahrnehmung, die die Informationsflut durch Strukturierung reduziert. Die eintreffenden Daten werden dabei in eine Repräsentation durch abstraktere Objekte überführt.

Dieser erste Abstraktionsschritt ist so tief in der Wahrnehmung verankert, daß er uns kaum bewußt wird. Die Identifizierung akustischer Ereignisse in Form von Noten führt kaum zu Mißverständnissen und wurde auch vergleichsweise selten in der Musikpsychologie untersucht.14

Sie ist aber von großer Bedeutung für die automatische Transkription und andere Probleme der Analyse von Audiodaten.

Von Bedeutung für die Wahrnehmung von Rhythmen ist vor allem der Beginn einer Note. Einsatzzeiten von Noten sind wichtiger als Endzeiten, wie bereits Riemann bemerkte:

»Der Höhepunkt der dynamischen Entwickelung fällt bei den Motiven aber stets auf den Beginn, die Einsatzzeit eines Tones, nicht aber auf dessen Mitte oder Ende.«15

15 Riemann (1884, S. 12).

Dafür spricht, daß der Endpunkt einer Note durch allgemeine Phänomene der Raum- bzw. Umgebungsakustik und bei vielen Instrumenten auch aufgrund des Instrumentalklangs (z.B. beim Klavier) schwerer zu bestimmen ist als der Beginn. Auch Überlegungen der ökologischen Validität und empirische Befunde stützen diese Annahme.16

16 Vgl. Bregman (1990, S. 66).

Wann genau der Beginn einer Note wahrgenommen wird, hängt von der Beschaffenheit des Klangs, also von der Entwicklung der Intensität seiner Frequenzanteile ab. Für komplexe Klänge ist die Bestimmung der wahrgenommenen Einsatzzeiten schwierig, die Zeitdifferenz zwischen physikalischem und wahrgenommenem Beginn des Klangs kann aber bei Klängen mit kurzer Einschwingzeit vernachlässigt werden.17

Zur Segregation und Integration von Ereignissen sind einige Eckwerte empirisch bestimmt worden. Aufgrund der Plastizität des menschlichen Gehirns ist aber nicht


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