- 67 -Weyde, Tillman: Lern- und wissensbasierte Analyse von Rhythmen 
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4.3.  Dynamik musikalischer Kognition

Musik findet im zeitlichen Verlauf statt. Wahrnehmung und Kognition von Musik haben daher dynamische Aspekte, die bei der Modellbildung berücksichtigt werden müssen. Die Interaktion motivischer und metrischer Strukturen, die Rolle des Gedächtnisses bei der Erkennung motivischer Strukturen und der zeitliche Rahmen, in dem die motivische Struktur erkannt wird, sind hier von Bedeutung.

4.3.1.  Gedächtnis

Das Gedächtnis spielt bei der Wahrnehmung und Kognition von Rhythmen in zweierlei Hinsicht eine wichtige Rolle. Da die Wahrnehmung von Rhythmen ein zeitabhängiger Prozeß ist, stellt sich die Frage, inwieweit Rhythmen während des Hörens einer längeren Sequenz im Gedächtnis bleiben und wie sich dies auswirkt. Weiterhin interessiert, wie Rhythmen langfristig gespeichert werden und welche Rolle diese Rhythmen spielen.

Der kurzfristige Effekt des musikalischen Kontextes ist vor allem im Zusammenhang mit metrischer Kategorisierung untersucht worden.45

Steven Demorest hat in seiner Untersuchung zur Rolle der Phrasierung für das Melodiegedächtnis von Kindern deutliche Hinweise dafür gefunden, daß Motive die Einheiten sind, in denen Musik im Gedächtnis gespeichert wird.46

Auch das Langzeitgedächtnis spielt eine Rolle bei der Wahrnehmung von Motiven. Bekannte Motive werden so wie bekannte Wörter leichter erkannt. Aber welche Motive sind es, die mittel- und langfristig im Gedächtnis bleiben? Einerseits spielen hier Gestalteigenschaften wie Geschlossenheit und Prägnanz eine Rolle, andererseits auch die Häufigkeit von Motiven bzw. ähnlicher Motive. Dabei wiederum stellt sich die Frage, wie sich die Ähnlichkeit von Motiven bezüglich der Bildung von Kategorien auswirkt.

Die Kapazitätsgrenzen der verschiedenen Gedächtnisebenen stellen Randbedingungen für die Verarbeitung der Ebenen dar. Für die Segmentierung und Erkennung von Motiven ist das Kurzzeitgedächtnis entscheidend. Es ist, wie im letzten Kapitel dargestellt wurde, begrenzt durch die maximalen Längen und Dauern von Motiven. In der Modellierung kann man das Kurzzeitgedächtnis als ein zeitliches Fenster betrachten, in dem Informationen für einen begrenzten Zeitraum zur Verfügung stehen. Länge und Dauer des Zeitfensters sind vermutlich größer als die maximalen Längen und Dauern von Motiven, denn die Festlegung einer Gruppe erfolgt häufig erst, nachdem eine Note wahrgenommen wurde, die nicht mehr der aktuellen Gruppe zugerechnet wird. Wenn man Wörter mit Motiven und Noten mit Silben gleichsetzt, ist die Situation analog zum Erkennen von Worten in gesprochener Sprache. Häufig kann ein begonnenes Wort auf verschiedene Weisen fortgeführt oder beendet werden. Erst die Fortsetzung oder eine längere Sprechpause schafft Klarheit über die richtige Interpretation. Z.B. kann auf »Ein« folgen: »-fluß«, oder »-gang«, aber auch » Mensch« oder » Haus«. Wenn man die Längen der größten


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