- 106 -Wollermann, Tobias: Zur Musik in der "Drei Farben"-Trilogie von Krzysztof Kieslowski 
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Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass die Dramaturgie im Film Rot kreisförmig angelegt ist. Im Mittelpunkt steht die Beziehung zwischen Valentine und Kern, um die herum sich aneinander gereihte Episoden, die mal mehr, mal weniger in direktem Bezug zu dieser stehen, spinnen. Auffällig ist dabei, das alle Episoden oder Handlungsstränge im Film sehr realistisch erzählt werden, so dass hier vielleicht von einer analytischen Episodenbeschreibung die Rede sein kann, der als ästhetisches Prinzip der Naturalismus114

114 »Stiltendenz in Literatur und Kunst, die versucht, die Wirklichkeit genau abzubilden ohne subjektive Beimischung oder Stilisierung. . . « (Schweikle und Bantel1990, S. 320–322)
zugrunde liegt.

Gegen Ende des Films kristallisiert sich immer mehr heraus, dass es sich bei Auguste in gewisser Weise um eine »gelebte Retrospektive« des Richters Kern handelt: mit dem feinen Unterschied, dass die Weichen für einen positiveren Ausgang gestellt sind. »Vielleicht, weil ich Ihnen niemals begegnen durfte.« Jetzt darf er . . .
So schließt sich der Kreis am Ende des Films: Hoffnung ist möglich.

4.3.3 Zur Musik im Film Drei Farben: Rot

Im folgenden Abschnitt soll untersucht werden, wie die Musik im Film, vor allem in Bezug auf die im vorherigen Abschnitt erläuterte Dramaturgie des Films, eingesetzt wird. Ferner stellt sich die Frage, inwiefern die Musik bzw. ihre Themen auf die Charaktere des Films übertragbar sind. Was die syntaktischen Funktionen der Musik angeht, so wird in diesem Abschnitt nur auf Besonderheiten näher eingegangen. Auf die syntaktischen Funktionen, die in diesem Film genauso artifiziell eingesetzt werden wie in den Filmen Blau und Weiss, wird in diesem Kapitel weniger ausführlich eingegangen.115

115 Vgl. Kapitel 4.1.3 und 4.2.3

Betrachtet man die einzelnen Takes, die eine Gesamtlänge von ca. 22 Minuten haben,116

116 Das Verhältnis zwischen der Filmlänge und der Gesamtlänge der Musiktakes ist hier ähnlich wie in den Filmen Blau und Weiss. Die Gesamtlänge der Takes beträgt ca. 1/4 der Filmlänge.
genauer, so fällt auf, dass es sich, ähnlich wie in Weiss, nur um zwei verschiedene Stücke handelt. Das erste Stück ist ein Bolero und das zweite ist ein von einem Klavier begleitetes Gesangsstück, das Preisner unter dem Pseudonym Van den Budenmayer komponiert hat. Dieses Stück taucht nur an drei Stellen des Films auf (Segmente 41–42, 49 und 65) und steht in direkter Verbindung zu Kern. Dagegen werden Themen, die, wie später noch gezeigt wird, eindeutig dem Bolero zugeordnet werden können, an 10 verschiedenen Stellen im Film eingesetzt.

Bevor nun näher auf diese beiden Stücke eingegangen wird, soll noch kurz auf eine Stelle im Film hingewiesen werden, die im Weiteren nicht noch einmal explizit erwähnt wird. Hierbei handelt es sich um das Segment 49, in dem Valentine im Plattenladen eine Van den Budenmayer-Platte kaufen möchte, weil sie vorher bei Kern ein Plakat von ihm gesehen hat. Zur gleichen Zeit befinden sich auch Karin und Auguste im Geschäft und kaufen das letzte Exemplar. In diesem Segment ist die Musik direkt in den Bildern verankert, es handelt sich um Musik im »on«. Der Zuschauer hört, was die Charaktere im Film über die Kopfhörer hören. Eine weitere Bedeutungsebene kommt der Musik aber insofern zu, als dass sie auf diese Art und Weise Valentine mit Kern verbindet. Valentine interessiert sich für Kern und scheint »seine« Musik zu mögen. Als Valentine den Verkäufer nach der Platte


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