- 111 -Wollermann, Tobias: Zur Musik in der "Drei Farben"-Trilogie von Krzysztof Kieslowski 
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Stadtplan. Mit dem Schnitt zum Segment 13 endet der erste Musikeinsatz. Die Vermutung, dass die Musik genauso artifiziell syntaktische Funktionen erfüllt, hat sich bestätigt. In diesem ersten Take wurden bereits alle Voraussetzungen für die weitere Verwendung der Themen A und B mit ihren entsprechenden Variationen geschaffen.

Das Thema A ist eindeutig Valentine zuzuordnen. Außer bei den beiden Shows wird es noch im Segment 39 verwendet, als Valentine mit Tränen in den Augen von Kern wegfährt. Diesmal wird es wieder von den Streichern gespielt, und die Oboe übernimmt die drei Überleitungstakte (vgl. Abbildung 4.19). An dieser Stelle unterliegt dem Thema aber nicht der Bolerorhythmus. Demzufolge klingt es sehr schwelgerisch, romantisch-melancholisch und beschreibt hier wiederum Valentines Stimmung. Im direkten Anschluss (Segment 40), als Valentine Auguste auf der Straße über den Weg läuft und das Telefon in seinem Zimmer klingelt, erklingen wieder über einem hohen, flirrenden dissonanten Streicherteppich Ausschnitte des Themas B von einer Gitarre, Klarinette und Oboe gespielt. Die Musik ist hier spannungssteigernd eingesetzt, da sie langsam, während das Telefon immer weiter klingelt und Auguste nach oben in die Wohnung läuft, immer mehr crescendiert, bis sie schließlich genau in dem Moment aussetzt, als Auguste abnimmt und enttäusch nur das Freizeichen hört. Das nächste Mal ist das Thema A zu hören, als Kern Valentine von seiner Selbstanzeige berichtet. An dieser Stelle wird die Gitarre, die die Melodie spielt, von leisen, den Bolerorhythmus zupfenden Violinen begleitet. »Würden Sie mich bitte anlächeln«, bittet Kern Valentine, und dann beginnt er, untermalt von der Musik, zu erzählen, wie er die Briefe geschrieben hat. Das Thema A erklingt so lange, bis Kern äußert, dass Auguste und Karins Beziehung am Ende ist und Valentine erschreckt feststellt ». . . das klingt, als wenn Sie sich darüber freuen!« Langsam crescendieren dazu die den Bolerorhythmus spielenden Streicher, und zum Rhythmus erklingt das Thema B. Im folgenden Segment (55) wird die Vermutung Kerns, dass sich Karin und Auguste trennen werden, bestätigt. Auguste ruft Karin an, doch sie ist nicht zu Hause. Hier verbindet die Musik wieder zwei Segmente miteinander, denn das Thema endet erst, nachdem Auguste enttäuscht den Hörer wieder aufhängt. Zugleich wird hier das Thema B mit Auguste in Beziehung gesetzt. Ein weiteres Mal wird das Thema A eingesetzt, als Valentine und Kern gemeinsam mit einem Glas Birnengeist auf ihr Wohl anstoßen. An dieser Stelle fragt Valentine Kern schon fast anhimmelnd, nach dem sie festgestellt hat, dass er mit seinem Freispruch richtig gehandelt hat: »Glauben Sie es gibt heute noch solche Richter wie Sie?« Nachdem der letzte Ton des Themas (vgl. Takt 10 der Abbildung 4.19) ausgeklungen ist, fliegt ein Stein mit lautem Krachen und Klirren durch die Scheibe.

Betrachtet man den Gebrauch des Themas B genauer, so fällt auf, dass es schon von Anfang an Kern, Auguste und Valentine miteinander verbindet. Das erste Mal erklingt es, wie bereits erwähnt, als Valentine es im Radio hört und den Sender besser einstellt.120

120 Die Geräusche, die das nicht richtig eingestellte Radio macht, erinnern sehr stark an die Geräusche, die zu hören sind, wenn Kern seine Nachbarn belauscht. Hierbei handelt es sich auch um eine schon sehr frühe Verbindung zwischen Kern und Valentine.
In gewisser Weise fungiert dieses Thema als Auslöser für den ganzen weiteren Verlauf des Films, denn durch Valentines Unachtsamkeit beim Einstellen

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