Verdacht auf Arbeitserleichterung o.ä. auf. Nichtsdestotrotz passt das Lied
sehr gut zur filmischen Situation: Die einsam-melancholische Grundstimmung
dieses Liedes lässt sich in beiden Szenen gut auf Kern übertragen. Gleichzeitig
verdeutlicht es Kerns Verlangen nach Valentine, wobei Verlangen an dieser
Stelle nicht unbedingt nur in sexueller Hinsicht zu verstehen ist. Diese Melodie,
von einer schönen Frauenstimme auf »oh« gesungen, klingt entrückt, so als
würde sie ungreifbar in höheren Ebenen schweben – ähnlich dem »guten«,
engelhaften Geschöpf Valentine, das für Kern als solchen unerreichbar ist, es
aber doch schafft, ihn aus seiner Lethargie zu befreien. Und so verwundert es
nicht, dass diese Melodie, in gewisser Weise seine Gedanken symbolisierend,
erklingt, wenn er die Briefe schreibt und sich selbst anzeigt. »Hören Sie damit
auf!« – Er folgt Valentines eindringlicher Bitte und tut den ersten Schritt zur
Befreiung selbst. Ebenso den zweiten, indem er aus seinem »gläsernen Gefängnis«
ausbricht und sich, Valentines Einladung folgend, auf den Weg zur Show macht und
auf seinem Weg das Lied hört. »Es tut Ihnen, glaub ich, gut, wenn Sie mal
ein bisschen zu Hause rauskommen«, stellt Valentine fest, als sie sich nach
der Show unterhalten. Durch die Art und Weise, wie das Lied dramaturgisch
eingesetzt wird, repräsentiert es Kerns Gedanken gegenüber Valentine und
begleitet gleichzeitig seine, von Valentine ausgelösten Handlungen auf dem Weg zur
Befreiung.
4.3.4
Zusammenfassung: Drei Farben: Rot
Betrachtet man die in Rot verwendete Musik, so fällt auf, dass es sich, ähnlich wie in
Weiss, im Wesentlichen um zwei verschiedene Stücke handelt. An zwei Stellen im Film
wird das Gesangsstück eingesetzt, aber der weitaus größte Teil der Musik (12
Takes) entstammt – zumindest thematisch – dem in Sequenz 2 vorgestellten
Bolero.
Ähnlich wie in Weiss werden auch in diesem Film die Protagonisten durch die
Musik charakterisiert. Allerdings besteht ein Unterschied zu Weiss insofern, als
sich die einzelnen Themen durch ihre Variationen der jeweiligen Situation,
in der sich der Protagonist befindet, kunstvoll anpassen. Als Beispiel sei hier
das Thema A bzw. A’ angeführt, dass sich zwar auf Valentine bezieht, aber
später auch in Bezug auf das Gespräch und die sich entwickelnde Beziehung
zwischen Valentine und Kern eingesetzt wird. Das gleiche Thema erklingt viermal
relativ unterschiedlich. Klingt es bei der Show noch voluminös-schwelgerisch,
so wirkt es, wenn Valentine im Auto sitzt und nach Hause fahren will, eher
einsam-melancholisch. Beim Gespräch mit Kern dagegen – hier liegt wieder der
Bolerorhythmus, gefühlvoll gezupft von den Violinen, zugrunde – verbreitet die Musik
dagegen eine zart-romantische Stimmung. Allerdings fällt auf, dass sich die Musik nicht
wie in Weiss explizit einem Charakter zuordnen lässt. Die Musik erfüllt in diesem Film
vielmehr die Aufgabe, die Protagonisten miteinander zu verbinden. So deutet das
Erklingen des Themas B im Segment 9, bevor Valentine den Hund anfährt,
schon auf die sich entwickelnde Beziehung zu Kern hin. Im Nachhinein wird
das Thema B oder B’ im Bezug auf Kern verwendet, so z.B. wenn er seine
Nachbarn belauscht. Gleichzeitig verbindet es ihn aber auch mit Auguste, da es
u.a. auch erklingt, als dieser beobachtet, wie er von seiner Freundin betrogen
wird.
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