- 114 -Wollermann, Tobias: Zur Musik in der "Drei Farben"-Trilogie von Krzysztof Kieslowski 
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Verdacht auf Arbeitserleichterung o.ä. auf. Nichtsdestotrotz passt das Lied sehr gut zur filmischen Situation: Die einsam-melancholische Grundstimmung dieses Liedes lässt sich in beiden Szenen gut auf Kern übertragen. Gleichzeitig verdeutlicht es Kerns Verlangen nach Valentine, wobei Verlangen an dieser Stelle nicht unbedingt nur in sexueller Hinsicht zu verstehen ist. Diese Melodie, von einer schönen Frauenstimme auf »oh« gesungen, klingt entrückt, so als würde sie ungreifbar in höheren Ebenen schweben – ähnlich dem »guten«, engelhaften Geschöpf Valentine, das für Kern als solchen unerreichbar ist, es aber doch schafft, ihn aus seiner Lethargie zu befreien. Und so verwundert es nicht, dass diese Melodie, in gewisser Weise seine Gedanken symbolisierend, erklingt, wenn er die Briefe schreibt und sich selbst anzeigt. »Hören Sie damit auf!« – Er folgt Valentines eindringlicher Bitte und tut den ersten Schritt zur Befreiung selbst. Ebenso den zweiten, indem er aus seinem »gläsernen Gefängnis« ausbricht und sich, Valentines Einladung folgend, auf den Weg zur Show macht und auf seinem Weg das Lied hört. »Es tut Ihnen, glaub ich, gut, wenn Sie mal ein bisschen zu Hause rauskommen«, stellt Valentine fest, als sie sich nach der Show unterhalten. Durch die Art und Weise, wie das Lied dramaturgisch eingesetzt wird, repräsentiert es Kerns Gedanken gegenüber Valentine und begleitet gleichzeitig seine, von Valentine ausgelösten Handlungen auf dem Weg zur Befreiung.

4.3.4 Zusammenfassung: Drei Farben: Rot

Betrachtet man die in Rot verwendete Musik, so fällt auf, dass es sich, ähnlich wie in Weiss, im Wesentlichen um zwei verschiedene Stücke handelt. An zwei Stellen im Film wird das Gesangsstück eingesetzt, aber der weitaus größte Teil der Musik (12 Takes) entstammt – zumindest thematisch – dem in Sequenz 2 vorgestellten Bolero.

Ähnlich wie in Weiss werden auch in diesem Film die Protagonisten durch die Musik charakterisiert. Allerdings besteht ein Unterschied zu Weiss insofern, als sich die einzelnen Themen durch ihre Variationen der jeweiligen Situation, in der sich der Protagonist befindet, kunstvoll anpassen. Als Beispiel sei hier das Thema A bzw. A’ angeführt, dass sich zwar auf Valentine bezieht, aber später auch in Bezug auf das Gespräch und die sich entwickelnde Beziehung zwischen Valentine und Kern eingesetzt wird. Das gleiche Thema erklingt viermal relativ unterschiedlich. Klingt es bei der Show noch voluminös-schwelgerisch, so wirkt es, wenn Valentine im Auto sitzt und nach Hause fahren will, eher einsam-melancholisch. Beim Gespräch mit Kern dagegen – hier liegt wieder der Bolerorhythmus, gefühlvoll gezupft von den Violinen, zugrunde – verbreitet die Musik dagegen eine zart-romantische Stimmung. Allerdings fällt auf, dass sich die Musik nicht wie in Weiss explizit einem Charakter zuordnen lässt. Die Musik erfüllt in diesem Film vielmehr die Aufgabe, die Protagonisten miteinander zu verbinden. So deutet das Erklingen des Themas B im Segment 9, bevor Valentine den Hund anfährt, schon auf die sich entwickelnde Beziehung zu Kern hin. Im Nachhinein wird das Thema B oder B’ im Bezug auf Kern verwendet, so z.B. wenn er seine Nachbarn belauscht. Gleichzeitig verbindet es ihn aber auch mit Auguste, da es u.a. auch erklingt, als dieser beobachtet, wie er von seiner Freundin betrogen wird.


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