- 72 -Wollermann, Tobias: Zur Musik in der "Drei Farben"-Trilogie von Krzysztof Kieslowski 
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Schnitte verdeutlicht. Meistens kommt der Musik in diesem Bezug eine »trennend gliedernde«64
64 Vgl. (Schmidt1988, S. 419)
Funktion zu. Die musikalische Klammer, wie sie z.B. in Segment 48 verwendet wird, stellt eher eine Ausnahme dar.

Des Weiteren bewirkt die Musik zu bestimmten Filmszenen die Glaubhaftigkeit der im Film dargestellten Realität im Sinne einer emotionalen Identifizierung.65

65 Vgl. (Schmidt1982a, S. 172)
Schmidt spricht hier von einer affirmativen Funktion. Unter diesem Aspekt kann z.B. das Beerdigungsthema in Segment 9, die Melodie des Flötenspielers in Segment 34 oder Patrices Thema in Segment 28 betrachtet werden. Eine affizierende Funktion kommt u.a. dem Beerdigungsthema zu, das sehr an einen düsteren Trauermarsch erinnert und dementsprechend auch verwendet wird.

Im Wesentlichen ist die Musik aus drei Themen konzipiert, von denen sich zwei (Patrices Thema und das Beerdigungsthema) sehr ähneln. Das ist auch logisch nachvollziehbar, denn Schicksal/Vergangenheit und Tod sind im Film unmittelbar miteinander verknüpft. Betrachtet man die Verwendung dieser beiden Themen für sich, dann stellt man fest, dass sich die beiden Themen in sich musikalisch nicht entwickeln. Das passt sehr gut zum Handeln von Julie, sie will nur noch »nichts« tun und kreist dabei, in ähnlicher Form wie die beiden Themen, um sich selbst. Das dritte Thema (Julies Thema) ist eng mit ihrem Willen, die Zukunft unter Einbeziehung der Vergangenheit konstruktiv zu gestalten, verbunden. Sie hat festgestellt, dass Freiheit, so wie sie sie sich vorgestellt hat, keine wirkliche Freiheit ist. Demzufolge ist an den drei Stellen, an denen das Thema im Film vorkommt, auch eine Entwicklung zu erkennen. Das dritte Mal wird diese Entwicklung zur Handlung selbst.

Die Musik des Flötenspielers ist die einzige Musik im Film, mit der Julie keine negativen Assoziationen verbindet. Im Gegenteil: diese Musik kann als Auslöser für Julies Umdenken aufgefasst werden, obwohl der dramaturgische Wendepunkt erst folgt, nachdem die Melodie des Flötenspielers nicht mehr verwendet wird.

Im »Epilog« des Films erklingt nun endlich Julies Version des vollendeten Konzerts (zumindest ein Teil oder Satz daraus).66

66 Vgl. Soundtrack Take 22.
In diesem letzten Abschnitt werden dem Zuschauer noch einmal alle wichtigen Personen vor Augen geführt. Durch den ihm zugrunde liegenden Text (1.Korinther 13) wird deutlich, dass wirkliche Freiheit nur durch die Liebe möglich ist. Wenn ich mit Engelzungen redete,...
Hätte aber die Liebe nicht...
So wär’ ich nur ein tönendes Erz.
Und wenn ich Prophetengaben hätte,...
Und durchschaute alle Geheimnisse...
Und besäße alle Erkenntnis...
Und wenn ich allen Glauben hätte,...
So daß ich Berge versetzte...
Hätte aber die Liebe nicht...
So wäre ich nichts.
Die Liebe ist langmütig.
Die Liebe ist gütig.

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