- 95 -Wollermann, Tobias: Zur Musik in der "Drei Farben"-Trilogie von Krzysztof Kieslowski 
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sondern weist auch auf die enge freundschaftliche Bindung der beiden Charaktere hin.

4.2.4 Zusammenfassung: Drei Farben: Weiss

Über die Entstehung der Musik zu Weiss berichtet Zbigniew Preisner:

»Weiß wurde ohne ein solches musikalisches Konzept (im Vergleich zu Blau; Anm. des Verfassers) gedreht. Jetzt, beim Schnitt, gibt es immer noch keine Musik dazu. Ich möchte diesmal etwas völlig anderes machen als bisher. Vielleicht werde ich in der Folklore meines Landes schöpfen, um den zutiefst polnischen Charakter des Films zu betonen. Die polnische Musik ist zugleich romantisch und wild – ungezähmt.«103

103 Preisner, zit. nach dem Presseheft zu Weiss, herausgegeben vom Concorde Filmverleih, München.

Obwohl die Musik in Weiss keine so tragende Rolle in der Handlung spielt wie in Blau und auch erst beim oder nach dem Schneiden konzipiert wurde, ist in der Analyse deutlich geworden, dass sie trotzdem, besonders im Bezug auf ihre syntaktischen Funktionen, sehr artifiziell angelegt ist und sogar noch innerhalb der einzelnen Einstellungen strukturierend wirkt. Als Beispiel sei u.a. das Segment 72 angeführt. Des Weiteren werden durch die Musik Schnitte, Segmente und Sequenzen gliedernd voneinander getrennt oder auch miteinander verbunden. Ähnlich wie in Blau eignet sich auch hier die eher phrasenhaft angelegte Musik gut, solche syntaktischen Funktionen zu erfüllen. Die lange nachhallenden Einzeltöne der Bläser und die oft sequenzierten melodischen Phrasen vereinfachen einen genau passenden Schnitt der Musik zum Film.

An dieser Stelle sei auf zwei bisher noch nicht erwähnte Stellen im Film hingewiesen, an denen die Musik der Spannungssteigerung dient. Zum einen handelt es sich dabei um das Segment 40, in dem Karol nachts in den U-Bahn-Schächten einem Plan folgt, um sich mit der Person, die umgebracht werden möchte, zu treffen. Die Spannungssteigerung wird hier innerhalb des Takes, der aus Elementen des Themas A besteht, durch die Tremoli der Harfe, die tiefe Bassklarinette und die dazu crescendierend in dissonanten Intervallen hohe Töne spielende Flöte erzeugt. Bei der nächsten Stelle handelt es sich um das Segment 65. Nachdem Dominique aufgewacht ist und bemerkt hat, dass Karol verschwunden ist, ruft sie Mikolaj an, der ihr aber nur sagt, dass Karol tot sei. Während des Gesprächs klopft es an der Tür, Dominique geht davon aus, dass Karol zurückgekommen ist, beendet das Gespräch und eilt zur Tür. Direkt nachdem das Klopfen zu hören ist, setzt die Klarinette mit einem gis’ ein, das zum a’ aufgelöst wird und so lange stark crescendiert, bis Dominique die Tür öffnet. In diesen beiden Szenen dient die Musik ausschließlich der Spannungssteigerung. In einem solchen Zusammenhang spricht Maas auch von einer »Akzentuierung von Szenenhöhepunkten (dramatischer Akzent)« und ordnet diese ebenfalls den syntaktischen Funktionen zu. Schmidt unterscheidet hier etwas präziser und rechnet ein solches »akustisches Ausrufezeichen« zu den musikalischen Interpunktionen.104

104 Vgl. (Schmidt1988, S. 419)
Auch Schneider spricht in diesem Zusammenhang von einem »musikalischen Ausrufezeichen«.105
105 Vgl. (Schneider1997, S. 67)

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