- 134 -Wollermann, Tobias: Musik und Medium 
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meist unbrauchbar.«5
5[Gieseking(2001b), S. 351].
Der Maßstab für das grafische Resultat ist und bleibt das gestochene Notenbild. Ein solches erreicht man nach [Hader(1948), S. 32] nur durch »die Erfahrung eines ganzen langen Lebens, Ausdauer, Begeisterung und Demut vor der Schönheit dieses Berufes, der in seiner nie versiegenden Abwechslung eine Quelle von täglich neuen Erlebnissen bildet.« Im weiteren Verlauf seines Textes stellt er fest: »Noch dem ältesten Stecher wird jede begonnene Arbeit zum neuen Problem und findet Krönung in ihrem guten Gelingen.« Und genau dieses ›gute Gelingen‹ ist für Musiker von enormer Wichtigkeit.

Nur in Bezug auf die ›Verteilung der Noten auf die Systeme‹6

6Im Vergleich zu den zahlreichen anderen Punkten, auf die es bei einem guten Notensatz ankommt (Ausrichtung von Legatobögen und Balken, Abstand der Noten untereinander, Artikulationsteichen, Gruppierungen etc.), stellt diese allein einen sehr kleinen Aspekt dar.
schreibt Hader weiter: »Es ist bekannt, daß dem Schüler wie auch dem geübtesten Musiker ein zu eng eingeteiltes Musikstück beim Studium um vieles schwerer erscheint als dasselbe Stück in schöner, klarer Deutlichkeit.«7
7[Hader(1948), S. 39].
Und auch Rader stellt in Bezug auf ein ›nicht korrektes‹ Druckbild fest: »Even if performers are not consciously aware that something is wrong, their subconscious reactions, conditioned through a lifetime of practise, will not be the same.«8
8[Rader(1996), S. 61].

Um nun mit Hilfe eines Computers ein schönes, klares und deutliches Notenbild zu erzeugen, sind Regeln notwendig, die man in Bezug auf den Computer Algorithmen nennt.9

9Zum Beispiel der Line-Up-Algorithmus, der Noten nach ihren Werten in mehreren Stimmen korrekt anordnet, der Quantisierungsalgorithmus oder der Stimmenextraktionsalgorithmus, der z. B. die MIDI-Stimmen entsprechenden Systemen zuteilt. Bei der Notation von Liedern ist des Weiteren ein Algorithmus für die Zuordnung von Silben zu den passenden Noten von großer Bedeutung. Ein kleiner Überblick über Notensatzalgorithmen in der Literatur findet sich bei [Gieseking(2001a), S. 28–29].
Das Problem liegt nun genau im Erstellen dieser Algorithmen, denn die unzähligen Stichregeln sind zum großen Teil gar nicht schriftlich fixiert. Selbst die einfachsten Regeln – oft sind dies die, die aus ›gesundem Menschenverstand‹ heraus entstehen – muss ein Computer in allgemeingültiger Form formuliert bekommen und gerade diese ›intuitiven‹ Regeln bereiten oft die größten Schwierigkeiten. In der Literatur werden Stichregeln – wenn überhaupt – nur anhand bestimmter Beispiele dargestellt.10
10Vgl. [Hader(1948), S. 55]. Auch Noll stellt fest: »Trotzdem gibt es nur erstaunlich wenig feste Regeln. Wenn es um Feinheiten geht, war und ist Notensatz eine sehr individuelle Angelegenheit.« [Noll(1996), S. 198] U. a. liegt das auch an der ›Geheimhaltung‹ dieser Regeln. »Viele Stechereien behielten schon während der Blütezeit des Notenstichs ihr Wissen über Regeln und bewährte Berechnungen der genauen Parameterwerte für sich, so daß es nicht systematisch aufbereitet und in der Literatur nachgeschlagen werden konnte.« [Gieseking(2001a), S. 26]
Aber selbst wenn erfahrene Notenstecher in der Lage wären, ihre über Jahre hinweg erlernten und intuitiv angewandten Regeln zu formulieren, so gibt es ein weiteres gravierendes Problem: viele Regeln schließen sich untereinander aus. Je nach Situation müssen manche Regeln ignoriert werden und sind in ihrem Kontext deshalb noch schwieriger zu formulieren.

Ein weiteres Problem stellen die semantischen Vorgaben dar, von denen der Notensatz beeinflusst wird. So kann man ein und den selben Rhythmus z. B. auf sehr unterschiedliche Weise notieren und je nachdem, wie ein Komponist diesen


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