- 135 -Wollermann, Tobias: Musik und Medium 
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Teil seines Werkes verstanden haben will, notiert er ihn auch unterschiedlich. Zum heutigen Zeitpunkt sind wir noch weit davon entfernt, solche Probleme zu lösen. Bislang basiert der digitale Notensatz ›nur‹ darauf, dass der Computer bestimmte Algorithmen ausführt; quasi auf dem Ausführen von verschiedenen Kombinationen von Regeln. Vielleicht wird es mit Hilfe der KI11
11KI steht für ›Künstliche Intelligenz‹
einmal möglich sein, auch ästhetischen Komponenten im Notensatz mit zu berücksichtigen.

Bereits in die frühen sechziger Jahre fallen die ersten Versuche, den Computer – damals noch riesengroß – für den Notensatz zu gebrauchen. Das große Problem am Anfang bestand darin, einen Mittelweg zwischen ›einfacher Noteneingabe‹ und ›ausreichend komplexer Datenstruktur im Computer‹ einzuschlagen. Nach Gieseking12

kristallisierten sich zwei Eingabetechniken heraus:

»Was die Eingabetechnik angeht, so kristallisierten sich zwei unterschiedliche Verfahren heraus: Zum einen handelt es sich dabei um sogenannte Batch- oder Skriptsysteme, bei denen die Noteninformationen als alphanumerischer Code mittels eines Texteditors in einer Datei abgelegt und abschließend vom Satzsystem eingelesen wird […] Diese Technik läßt Nachbearbeitungen im Sinne notenschriftlicher Logik offenkundig nur über ein erneutes Editieren der Eingabedatei zu, so daß der Bediener eines solchen Batch-Systems neben den notenschriftlichen Regeln auch die eindimensionale textuelle Umsetzung der Musik beherrschen muss […]
Deshalb ziel ein anderer Entwicklungszweig in Richtung interaktiver Systeme. Sie zeigen schon während der Noteneingabe, sei sie textuell oder grafisch, jedes Zwischenergebnis auf dem Bildschirm an, so daß Fehler anhand der vertrauten Notenschrift unmittelbar erkannt und beseitigt werden können.«

Interaktivität ist des Weiteren auch insofern von Bedeutung, als dass unsere Notenschrift durch ihre Zweidimensionalität sowie durch die Verwendung grafischer Elemente geprägt ist. Nun findet man aber grafische Elemente und eine Zweidimensionalität nicht nur in der Musik. Auch andere Wissenschaften brauchen sie, um gewisse Sachverhalte wie z. B. Formeln (z. B. in der Mathematik oder Physik), Molekülstrukturen (z. B. in der Chemie oder Biologie), Lautschrift (z. B. in der Germanistik) etc. darzustellen. Der große Unterschied – und genau das ist der entscheidende Punkt, der die Musiknotation so erschwert – liegt aber in der Überlagerung einzelner Zeichen. In allen anderen Bereichen grenzen sich die zu druckenden Zeichen der einzelnen Formeln etc. deutlich voneinander ab und dies ist der Grund, warum sich hier der Typendruck ziemlich einfach anwenden lässt. »Bei der Notenschrift liegt die Sache völlig anders. Sie ist ohne Überschneidungen ihrer textuellen und grafischen Anteile in der uns bekannten Form nicht vorstellbar. Man denke dabei etwa an Notenköpfe, die auf System- oder Hilfslinien liegen, an Balken, die Notenhälse einer anderen Stimme schneiden oder an ineinandergeschobene Akkordtrauben«, schreibt Gieseking in [Gieseking(2001a), S. 26].

Die große Herausforderung für Musikwissenschaftler, Mathematiker und Informatiker besteht nun darin, komplexe Algorithmen zu entwickeln, die diesen Problem gerecht werden und sie lösen. Dies ist ansatzweise auch schon gut gelungen.


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