- 32 -Wollermann, Tobias: Musik und Medium 
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empfangen. Radolt hatte vorher in Venedig gedruckt, also gleichzeitig mit Petrucci; nachgeahmt hat er ihn schon deshalb nicht, weil er ihn nicht nachahmen konnte. Der Zweck und die Mittel dieser Musikart waren ganz andere, und das Verfahren hatte sich, wie oben gezeigt wurde, stufenweise ausgebildet.«

Auch Hader schreibt lediglich von einer »Verbesserung und Ausgestaltung des Typendoppeldruckes« seitens Petruccis.9

9[Hader(1948), S. 17].
Ferner geht er davon aus, dass Petrucci zum ersten Mal in der Geschichte des Notendruckes versuchte, auch Mensuralnoten zu drucken.

Ob es sich bei Petruccis Druck mit beweglichen Metalltypen nun um eine bloße Übertragung einer bereits vorhandenen Druckart auf ein anderes musikalisches Gebiet, sowie Chrysander es behauptet, handelt, oder ob der Druck mit beweglichen Metalltypen seine eigene ›Erfindung‹ ist, lässt sich anhand der vorhandenen Literatur nur schwer beurteilen. Sicher ist jedenfalls, dass es bei fast allen Erfindungen ›Vorstufen‹ geben hat, ohne die die jeweiligen Erfindungen nicht möglich gewesen wären.

So wird Petrucci allen unterschiedlichen Sichtweisen bzw. Meinungen zum Trotz zwar nicht immer als ›Erfinder‹, aber doch bei allen als bedeutendste Persönlichkeit in der Geschichte des Notendruckes gesehen. Selbst Chrysander schreibt: »Er ist der Einzige, den wir Gutenberg, dem grossen Erfinder der Buchdruckerkunst, im Musikalischen einigermasssen an die Seite stellen können«.10

10[Chrysander(1879), Sp. 178].

Bei dem ersten vollständigen Werk, das Petrucci gedruckt hat, handelt es sich um das, am 15. Mai 1501 publizierte, ›Harmonice Musices Odhecaton‹. Dabei druckte er nach [Sartori(1949ff), Sp. 1139] in drei Phasen: »zuerst wurden die Linien gedr., dann die Noten und endlich die Textworte, die verzierten Anfangsbuchstaben, die Nrn. des Registers und der Seiten.«11

11Gieseking stellt in [Gieseking(2001b), S. 345] fest, »dass [die Reihenfolge] in der Literatur nicht einheitlich beschrieben wird.« So gibt es außer der oben erwähnten Variante Sartoris (Linien – Noten – Text) noch die von Marlene Hübel (Linien – Text – Noten) und die von Edmund Poole (Noten – Linien – Text).

Aufgrund der hohen Qualität seiner Druckerzeugnisse, die besonders durch die erlangte Präzision bei der Überlagerung von roten Notenlinien und schwarzen Noten sowie den bis dahin in dieser Form nicht zu übertreffenden scharfen Konturen deutlich wird, erhielt Petrucci 1498 in Venedig für 20 Jahre die alleinige Befugnis zum »Druck von mehrstimmiger Musik für Gesang, Orgel und Laute.«12

12Der lateinische Text [Schmid(1845), S. 10] wird von Chrysander in [Chrysander(1879), Sp. 179] übersetzt und er wirft Schmid vor, diesen Text nicht exakt interpretiert zu haben, da es sich bei dem Privileg ausdrücklich nur um ›Figuralmusik‹ handelt.
Bei seinem Druckverfahren handelt es sich deswegen um den ›mehrfachen Typendruck‹, da hier mehrere Druckvorgänge nötig waren. Obwohl Petruccis ›Odhecaton‹ »in der Eleganz der Typen und in der Klarheit des Druckes das unübertroffene Modell in der Geschichte des Musikdrucks«13
13[Sartori(1949ff), Sp. 1139].
darstellt, erwies sich seine Druckmethode als unrentabel. Die steigende Nachfrage nach gedruckter Musik und die zunehmende Kommerzialisierung erforderten schnellere Arbeitsverfahren.


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