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- 2 - Arthur Rubinstein: Erinnerungen - Die frühen Jahre


zum Essen ins teuerste Restaurant der Stadt ein, ins Europejski, und wir verbrachten den Abend und die halbe Nacht im Gespräch. Am meisten amüsierten sie sich über meine Erlebnisse am Vesuv und auf Capri - ein Beweis, wie recht ich mit meiner Behauptung habe, unerfreuliche Zufälle und gefährliche Abenteuer verwandeln sich in die lustigsten Anekdoten. Pola hörte mit Vergnügen von meiner Rückkehr und dem Fischzug in Lwów, und wir verabredeten uns telefonisch für den nächsten Tag.

Der Warschauer Frühling überschüttete uns mit seinem unvergleichlichen Zauber. Wir konnten nicht widerstehen, meine Pola besuchte mich wieder im Hotel, vorsichtig und unter Benutzung des Haupteinganges.

Paul habe ich die Bekanntschaft mit einer wunderbaren Familie zu danken, den Moszkowskis. Der Vater, ein Börsianer, war der Vetter des Komponisten Moritz Moszkowski, ein lebensfroher, witziger alter Herr, recht ähnlich seinem berühmten Verwandten. Seine Frau war Mitte Fünfzig, aber vital wie ein junges Mädchen. Sie war nicht nur eine vorbildliche Frau und Mutter, sondern las auch Bücher in drei Sprachen. Drei Söhne, mit Paul seit Kindertagen befreundet, Waren nur wenig älter als wir. Einer war Ingenieur, einer Architekt, und die ganze Familie war zutiefst musikalisch. Moszkowskis ließen kein Konzert aus und zogen Paul und mich allen anderen Künstlern vor. Bald war ich in diesem anregenden Kreis ebenso gerne gesehen wie Paul. Hin und wieder spielten wir vor, was wir für unsere gemeinsamen Konzerte in Warschau und Lodz gerade übten; so konnten wir die Wirkung erproben und Kritik herausfordern.

Eines Abends schob Antek, der ältere Sohn, mir eine russische Zeitung hin. »Lies einmal das hier, vielleicht interessiert es dich.« Es handelte sich um einen ausführlichen Bericht über den Anton-Rubinstein-Wettbewerb für Pianisten und Komponisten, der im Sommer (das genaue Datum weiß ich nicht mehr) in St. Petersburg ausgetragen werden sollte. Präsident der Jury war Alexander Glasunow, die Altersgrenze der Teilnehmer wurde mit fünfundzwanzig Jahren angegeben. Der beste Komponist und Pianist sollten je 2000 Rubel erhalten.

Mein großer Namensvetter, dessen Namen ich mit Stolz trage, hat eine sehr edle Stiftung gegründet: es ist nämlich der erste internationale Wettbewerb, an dem sich jeder beteiligen kann, ohne Unterschied der Hautfarbe, des Glaubensbekenntnisses oder der Nationalität. Um die Neutralität der Jury zu sichern, bestimmte Anton Rubinstein, daß der Wettbewerb alle fünf Jahre abwechselnd in St. Petersburg, Berlin, Wien und Paris abzuhalten sei, jeweils unter dem Vorsitz des amtierenden Direktors des staatlichen Konservatoriums.

»Nun, Arthur, was meinst du dazu?« fragte Antek.

»Für begabte junge Pianisten ist der Wettbewerb eine schöne Einrichtung.«

»Verstehst du mich denn nicht? Ich finde, du solltest nach St. Petersburg reisen und den Preis gewinnen.«

Ich lächelte. »Du setzest ja gewaltig viel Vertrauen in mich! Ich würde schon mitmachen, aber ich bin darauf nicht vorbereitet. Du weißt genau, daß ich niemals eine Komposition bis in die letzten Einzelheiten einstudiert habe, immer bleibe ich in gewissem Grade auf Improvisation angewiesen. Zudem ist das den Teilnehmern vorgeschriebene Programm äußerst schwierig, und ich brauchte Monate, um es zu lernen.« Das überzeugte Antek nicht, und Paul gab ihm Schützenhilfe. »Du


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