- 119 -Hinz, Christophe: Analyse und Performance mit der Software RUBATO 
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  • Der größte harmonische Überraschungseffekt ist im Übergang der T. 57/58 zu finden. Dort wird der Dominantseptakkord nicht wie erwartet nach F-Moll, sondern nach Des-Dur aufgelöst. Es ist charakteristisch, dass Chopin taktübergreifende Verlängerungsbögen auf B und G angegeben hat, vermutlich um ein Ineinanderschmelzen beider Akkorde und somit einen besseren Übergang vom einen Akkord zum nächsten zu ermöglichen (Abbildung 8.13).



    Abbildung 8.13: Etüde Nr. 12, T. 57–58. Überraschender Des-Durakkord mit taktübergreifenden Bindebögen.


  • 8.3.  Melodie

    Die Melodie der Etüde Nr. 12 kann unter drei besonders aussagekräftigen Blickwinkeln betrachtet werden: die Wellenbewegungen beider Hände, die einem cantus firmus ähnliche Linie der mit Akzenten versehenen Noten der rechten Hand, und schließlich die Basslinie. Letztere wurde schon in der harmonischen Analyse ausführlich beschrieben, so dass auf sie nicht mehr eingegangen werden muss. Die beiden ersten Aspekte sollen jedoch hier analysiert werden.

    In der Etüde verlaufen beide Hände fast stetig in parallelen Wellenbewegungen. Der Abstand zwischen ihnen bewegt sich meistens zwischen einer Oktave und einer Dezime, obwohl kleinere oder größere Intervalle auch vereinzelt vorkommen. Die einzigen Abweichungen zum ›puren‹ Parallelismus sind in den T. 16, 18, 20, 24, 26, 28, 72, 74, 76, 78 und 80 zu finden, in denen Chopin für jeweils einen halben Takt den Parallelismus in eine Gegenbewegung verwandelt (Abbildung 8.14). Die Rarität dieser kontrastierenden Stellen in Gegenbewegung gibt ihnen eine besondere Wichtigkeit, die bei einer Performance sehr wohl akustisch betont werden könnte.



    Abbildung 8.14: Etüde Nr. 12, T. 18–19. Wechsel der Parallel- zu einer Gegenbewegung und zurück.



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