9. InterpretationsanalyseIm folgenden Abschnitt soll wieder verdeutlicht werden, an welchen Stellen analytische Merkmale des Stückes von Pianisten deutlich hervorgehoben werden, und wie dieses Hervorheben erreicht wird. Zu diesem Zweck sollen die Agogik, die Dynamik und der cantus zusammen mit dem Bass einer genauen Betrachtung unterzogen werden. Andere Parameter, die in der Etüde Nr. 11 analysiert wurden – Notenhöhen und -dauern, Artikulation und Pedal – werden hier in der Regel von den Pianisten genau befolgt und liefern keine brauchbaren Ergebnisse. Aus diesem Grund werden sie hier ausgelassen.9.1. AgogikDie Variationen der Agogik sollen auch hier unter zwei Gesichtspunkten analysiert werden. Als erstes sollen generelle Bemerkungen über Tempi und Benutzung von interpretatorischem rubato gemacht werden, gefolgt von einer detaillierten Betrachtung der Stellen, an welchen die Agogik von den Interpreten verformt wird. Um das Grundtempo der Performances festzulegen, wurden die allgemein mit wenig rubato gespielten T. 1–6 mit einem Metronom gemessen. Zu Kontrollzwecken wurden die herausgefundenen Werte mit dem Tempo der ähnlichen T. 47–53 verglichen; das Resultat ergab, dass alle Pianisten dort mit derselben Geschwindigkeit spielen wie am Anfang. Diese Werte sollten – wie auch für die andere Etüde (vgl. S. 159) – mit Vorsicht betrachtet werden, aber zum Zweck einer groben Schätzung sind sie vollkommen ausreichend (Tabelle 9.1).
Bis auf Lortie, der deutlich langsamer als das vorgegebene = 80 spielt, benutzen alle Interpreten das von Chopin angegebene, oder ein unwesentlich langsameres, Tempo. Allgemein kann behauptet werden, dass wie in der anderen Etüde Fialkowska und Lortie hier ein sehr deutliches rubato benutzen, wobei dieses bei Sokolov und Lugansky ziemlich schwach, bei Pollini sogar sehr schwach ausgeprägt ist. Wo genau aber nun die musikalische Zeit von den Interpreten gedehnt und gestaucht wird, zeigt Tabelle 9.2.
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