- 134 -Hinz, Christophe: Analyse und Performance mit der Software RUBATO 
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9.3.  Cantus und Bass

Bei der Auswertung der Partitur und der parametrischen Analyse konnte der genaue Ablauf des cantus aufgrund der unregelmäßigen Platzierung der Akzente nicht eindeutig festgelegt werden. Um dieses Problem zu beheben, wurden alle fünf Aufnahmen nach plötzlichen Lautstärkeaushebungen analysiert. Die Resultate dieser Analyse kann man in zwei Kategorien einordnen.

1) Merkmale, die allen Pianisten gemeinsam sind:

  • Die T. 7–8 und 53–54 beinhalten immer eine sehr klar hervorgehobene absteigende Melodie im kleinen Finger der rechten Hand.
  • Der paukenähnliche Bass in T. 81–83 wird ebenfalls von allen Pianisten verdeutlicht.
  • Generell darf behauptet werden, dass die Akzente in der rechten Hand viel stärker als die der linken betont werden (Ausnahmen werden weiter unten aufgelistet). Meistens wird die linke Hand sogar völlig akzentfrei gespielt.
  • In T. 45–46 wird die aufsteigende chromatische Linie im Bass betont. Man darf daraus schließen, dass diese Linie trotz Registerwechsel und Kreuzung der Basslinie dem cantus angehört (Abbildung 9.5)3

    3 Man könnte auch argumentieren, dass an dieser Stelle der cantus schwebend auf dem G bleibt und der Bass plötzlich eine wichtige melodische Rolle übernehmen muss. Im Hinblick auf die Interpretation ist dieser Unterschied jedoch unwichtig: Es wird dort nicht mehr die Melodie im Daumen der rechten Hand, sondern im kleinen Finger der linken Hand betont.

    .



    Abbildung 9.5: Etüde Nr. 12, T. 43–47. Registerwechsel des cantus mit Kreuzung der Basslinie.


  • Die Akzente im Tenor werden allgemein ebenfalls lauter gespielt als die ›Echos‹ im hohen Register.
  • In T. 15, 17 usw. wird die höchste Note aufgrund der Ähnlichkeit mit den ein Takt langen Wellenbewegungen ebenfalls akzentuiert, wenn auch Chopin diese zusätzlichen Akzente nirgends notiert hat.
  • Aufgrund des hohen Tempos und der pianistischen Schwierigkeit, das Gewicht der Hand nur für eine Note auf den kleinen Finger zu verlagern, wird oftmals nicht nur die akzentuierte Note lauter gespielt, sondern auch einige Noten davor oder danach.
  • Die am Anfang von T. 17, 19 usw. mit einem Doppelhals versehene Note wird nur sehr selten – und dann schwach – akzentuiert.

2) Unterschiede zwischen den einzelnen Versionen:

  • Der zum größten Teil chromatische Anstieg im Bass, T. 55–70, wird von Lugansky und Pollini ab T. 61 und von Fialkowska ab T. 64 durch eine Akzentuierung der Bassnoten in den Vordergrund gebracht.


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