5. Interpretationsanalyse Folgender Abschnitt hat zwei Ziele. Zum einen soll er es
ermöglichen, durch die Analyse von fünf Interpretationen der Etüde Nr. 11 wichtige Merkmale
des Stückes hervorzuheben, um der gerade abgeschlossenen parametrischen Analyse als
Komplement zu dienen. Zum anderen sollen aber auch in Betracht der Interpretation mit
Rubato praktische Lösungen zu dem Problem gefunden werden, wie diese Merkmale klanglich
umgesetzt werden könnten. Es sollen folgende Parameter analysiert werden: Notenhöhen und
Notendauern, Agogik, Dynamik, Artikulation und Pedal. Auf eine Analyse der Klangfarbe wird
absichtlich verzichtet, da sie aufgrund der hier benutzten Technik von einer ziemlichen
Subjektivität geprägt wäre.
5.1. Notenhöhen und -dauern
Bezogen auf die Notenhöhen und -dauern, wird der Notentext von allen fünf Pianisten
bis auf einige falsche Töne im allgemeinen respektiert (wie eigentlich auch anzunehmen
ist!). Dennoch lassen sich einige Varianten finden:
- Auch wenn es nicht eindeutig herauszuhören ist, scheinen alle Interpreten in T. 59
das E der Unterstimme mit Oktavverdopplung zu spielen (Abbildung 5.1). Laut
Zimmermann ist diese Variante in der französischen Erstausgabe vorgeschlagen
(Chopin/Zimmermann (1983), S. 134).
- Alle fünf Pianisten spielen in T. 89 ein H (statt A) auf der 13. Sechzehntelnote, was
ebenfalls mit der französischen Erstausgabe übereinstimmt [Chopin/Zimmermann (1983),
S. 134]. Fialkowska erlaubt sich sogar eine zusätzliche, mit einem Akzent versehene Note,
die eine noch größere Übereinstimmung mit dem Hauptthema ermöglicht (Abbildung
5.2).
- Bei Fialkowska, Lugansky und Pollini ist das rhythmische Motiv
meistens so
gespielt, dass die punktierte Achtelnote etwas verlängert und die Sechzehntelnote
entsprechend verkürzt wird. Diese Spielweise ist bei Sokolov und bei Lortie weniger
bemerkbar.
- Sokolov spielt in T. 74 die Unterstimme in einem Rhythmus, der weder im Notentext
noch bei den anderen Pianisten vorkommt. Es ist nicht eindeutig herauszuhören, ob es
sich dabei um eine punktierte Triole oder um das gängige rhythmische Motiv
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