als eine
Geschichte der Rationalisierung, die sich durch die Herrschaft der Vernunft
vollzieht. Die Herrschaft der Vernunft stellt einen Antrieb der abendländischen
Ideengeschichte dar. Die funktionale Rationalität, die die Beherrschung der
Natur durch die Vernunft bedeutet, gilt ursprünglich für die Selbsterhaltung
des Menschen. In der modernen gesellschaftlichen Rationalisierung wandelt
sich die Vernunft als Beherrschung der Natur zum allgemeinen Instrument der
Herrschaft. Die Herrschaft der Vernunft umfasst nicht nur die Natur, sondern
zugleich selbst die Menschen. Durch die Geschichte der unreflektierten Herrschaft
der Vernunft führt die Zweckrationalität weiterhin zur rationalisierte[n]
Irrationalität.8
Horkheimer, M., Zur Kritik der instrumentellen Vernunft, S. 95: Zivilisation als
rationalisierte Irrationalität integriert die Revolte der Natur als ein weiteres Mittel oder
Instrument.
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Aus der Zweckrationalität resultiert also die Korrosion der Vernunft. Die Herrschaft
der Vernunft verrät nun in der spätbürgerlichen Gesellschaft den Zweck der
Aufklärung.
Auf dieser Rationalisierung der Menschheitsgeschichte beruhen Horkheimer und
Adorno zufolge verschiedene Probleme der modernen Gesellschaft – Kapitalismus,
verwaltete Welt, Kulturindustrie, Antisemitismus etc. Sie lassen sich nicht als eine
Begleiterscheinung der Aufklärung, sondern als Produkt der Herrschaft der subjektiven
Vernunft erfassen: Der »Irrationalismus« [des Antisemismus] wird aus dem
Wesen der herrschenden Vernunft selber und der ihrem Bild entsprechenden Welt
abgeleitet.9
Adorno, T. W. / Horkheimer, M., a. a. O., S. 7.
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In der Wirklichkeit kehrt die aufgeklärte Zivilisation somit zur Barbarei zurück. So
lautet die These von Horkheimer und Adorno: Aufklärung schlägt in Mythologie
zurück.10
Jürgen Habermas schließt an die Diagnosen von Weber, Horkheimer und Adorno an.
Seinen Bezugspunkt zum Diskurs der Moderne bildet auch das Krisenbewusstsein, dass
die Moderne von Selbstzerstörung bedroht sei. Seine Kritik an der Moderne
unterscheidet sich jedoch von dem Pessimismus von Weber, Adorno und Horkheimer:
Denn er sieht anders als seine Vorgänger einen Ausweg aus der Krise des modernen
Projekts. In seiner Kritischen Theorie der Moderne versucht er den philosophischen
Diskurs der Moderne zu rekonstruieren.
Habermas greift die begriffliche Unterscheidung der Zweckrationalität bzw.
funktionalen Rationalität und der Wertrationalität bzw. substantiellen Rationalität auf.
Nach seiner Ansicht koexistieren beide Rationalitäten in der Gesellschaft: Während die
substantielle Rationalität in der Lebenswelt herrscht, dominiert die funktionale
Rationalität im Bereich der Ökonomie und der Verwaltung. Ein Problem entsteht erst
dann, wenn die funktionale Rationalität in Lebensbereiche, die um Aufgaben der
kulturellen Überlieferung, der sozialen Integration und der Erziehung zentriert [. . . ] sind,
eindringt.11
Habermas, J., Die Moderne – ein unvollendetes Projekt, in: Welsch, W. (Hrsg.), Wege aus
der Moderne, Berlin: Akad. Verlag 1994, S. 177–192, hier: S. 183.
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Die so genannte Kolonialisierung der Lebenswelt, zu der die moderne Rationalisierung
geführt hat, stellt seinen Bezugspunkt der Kritik an der Moderne dar.
Er beschreibt bei der Betrachtung der gesellschaftlichen, ökonomischen
Modernisierung die der Aufklärungs-Moderne widersprechenden Phänomene, d. h. die
Ausdifferenzierung der gesellschaftlichen Teilbereiche sowie des einzelnen Subjektes. Er
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